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Weltweite Gemeinschaft des Sanatana Dharma
Für spirituell Suchende in der Tradition des Sanatana Dharma in Europa und Indien
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2022 – das Dhanvantari-Jahr
4.26.2024 Jahr

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der großen Schöpfergottheit
Ich bin

Spirituelle Alchemie des inneren Universums


Auszüge aus dem gleichnamigen Buch des Meisters

Jnanayoga:
Höhepunkt aller spiritueller Wege und Sichtweisen


Obwohl ich verschiedenen Wegen unterschiedlicher spiritueller Traditionen folgte, geschah meine Realisation dank der Philosophie des Advaita Vedanta, des Jnanayoga.

Am Anfang dieser Philosophie stehen die Devas Brahma, Vishnu und Shiva, herausragende Heilige und Siddhas wie Rishi Vasishtha, Avadhuta Dattatreya, Sri Shankara sowie viele andere große Siddhas.

Sie ist eine ewige, lebendige Lehre (Sanatana Dharma), die keinen konkreten Gründer hat, keinen religiösen Verkünder, kein Entstehungsdatum, weil sie ewig existiert und auch schon vor dem Entstehen unseres Universums in anderen Schöpfungszyklen (Kalpas) präsent war. Sie hängt nicht von einer Kultur, einer Nation oder Religion ab, und sie gibt es nicht nur auf unserem Planeten, sondern auch in anderen Dimensionen. Nicht nur die Menschen auf der Erde praktizieren sie, sondern auch Devas, Geister (Pitris), Siddhas, Rishis, Gandharvas, Apsaras , Asuras und viele andere mystische astrale Wesen.

Jnanayoga ist der spirituelle Höhepunkt, der wunderbar leuchtende Gipfel, auf dem alle spirituellen Wege zusammenkommen, alle religiösen Traditionen, alle Methoden, alle philosophische Systeme, alle Konzepte, alle Lehren, alle Gottheiten.

In dieser einheitlichen Sphäre (Ekabindu) verlieren Worte, Methoden, Philosophien, Symbole und Rituale ihre Wichtigkeit. Sie ist die Ebene des unmittelbaren, klaren und lebendigen Erlebens Gottes, des Absoluten, und hängt von nichts mehr ab, von keinen Anschauungen, Tempeln, Praktiken.

„Wer bin ich?“


„Wenn man zu fragen beginnt: „Was ist dieses Ich in diesem Körper aus Fleisch, Blut, Knochen usw.?“, dann hört die Unwissenheit sofort auf.“

Yoga Vasishtha

Kap. 6.1.10, „Über die Befreiung“

Die Frage „Wer bin ich?“ ist die wichtigste Frage im Leben eines jeden Wesens. Diese Frage ist der Grundstein der Philosophie des Advaita Vedanta. Ohne diese Frage für sich richtig zu beantworten, kann man unmöglich weiterleben, ohne Leid und Verwirrung anzuziehen.

Diese Frage ist identisch mit der Frage „Wer ist Gott?“

Die Antwort auf diese Frage gibt Antworten auf alle anderen Fragen. Das Fehlen einer Antwort auf diese Frage gebiert Millionen anderer, sekundärer Fragen, die uns keine Ruhe schenken, sondern uns zwingen, unbewusst zu handeln und nach Illusionen zu streben.

Die Frage „Wer bin ich?“ bestimmt, womit wir uns identifizieren müssen. Ohne die eigene Selbstidentifikation zu bestimmen, können wir auch den Sinn des Lebens nicht erfassen, und folglich bleiben unser Weltbild, unsere Werte und unsere Ziele genauso unbestimmt und illusorisch. Unsere Handlungen in einem solchen Zustand des Verstandes bringen uns nichts ein außer Leid, weil sie auf verschwommenen Werten gebaut werden und zu sinnlosen Zielen führen.

Wenn wir uns diese Frage stellen und uns intensiv in sie vertiefen, wird dies Selbsterforschung genannt, Vichara, und Yogis, welche diese Praxis ständig und fleißig ausführen und darin Erfolg haben, werden Jnanis genannt.

Für mich habe ich die Antwort auf diese Frage gefunden dank einer mehr als fünfundzwanzigjährigen spirituellen Praxis des Jnanayoga und dank der Segnungen meiner Lehrer und Gurus. Diese Praxis war manchmal ziemlich anstrengend, total, alles verschlingend und verbrennend, entlang jeglicher Grenze, verbunden mit innerem Kampf und Drama, manchmal aber auch ruhig, lautlos, voller Stille, asketisch und entsagt; und manchmal leuchtete sie spielerisch in allen Farben in der Fülle des Gewahrseins.

Findet man die Antwort, führt dies zur radikalen Veränderung der Empfindung der Welt, zu einer völligen und unwiderruflichen Veränderung der bisherigen Selbstidentifikation „Ich bin ein Körper, ein Ego usw.“ und führt zur Entidentifizierung mit der Person, für die man sich gehalten hatte.

Der Ausdruck „ich habe die Antwort gefunden“, trifft in diesem Fall nicht wirklich zu. Die Antwort hat mich gefunden. Sie wartete immer auf mich, sie gab es schon vor meiner Geburt, aber mein Verstand erfasste sie nicht, weil er schlief, vertieft in seine Illusionen.

Mein Ego-Ich hat die Antwort schon gar nicht gefunden, denn es ist einfach verschwunden, im Laufe des Prozesses der Suche und Selbsterforschung. Das Verschwinden des Egos führte zum Erscheinen einer völlig anderen Ebene des Wissens und einer anderen Schicht der Bewusstheit.

Diese Schicht nennt man den natürlichen Zustand, Sahaja, Natur des Geistes, Wesen des Absoluten, Brahma-Tattva, ursprüngliches Bewusstsein, Leerheit (Shunya), selbstgeborene Weisheit.

Ich habe „mich“ verloren, mein altes Ich, und dafür etwas gefunden, was unbeschreiblich ist, nicht auszudrücken, grenzenlos, eigenschaftslos, unbestimmbar, nicht adäquat, einen in keinen Rahmen passenden Zustand von Sein, Bewusstsein und Glückseligkeit .

Einen Sadhu (Yogi), der dieses Bewusstsein in sich selbst entdeckt und ständig in ihm vertieft ist, bezeichnet man in der vedischen Tradition als „Wissenden“ (Jnani), als erleuchtet. Diese Erleuchtung ist nicht, wie viele denken, das Ende eines spirituellen Weges, sondern erst der wirkliche Anfang, aber man kann sicher sagen, dass sie das Ende der Unwissenheit bedeutet, das Ende der falschen Sichtweisen und der Ursachen neuer Geburten, Leiden und Illusionen, die aus dieser Unwissenheit herrühren.

Erleuchtung als Provokation der gewöhnlichen Welt


„Der weise Mensch, der weiß, dass alle diese Objekte unwirklich sind, betrachtet sie nicht als Objekte des Vergnügens, die zu erlangen sind. Wer hinter den von seinem eigenen Verstand erschaffenen Objekten herläuft, wird gewiss Leid erfahren. Die Welterscheinung trat infolge von Wunsch und Verlangen ins Dasein; sie hört nur dann auf, wenn Wünsche und Begierden nicht mehr auftauchen.“

Yoga Vasishtha

Kap. 4.45, „Die Geschichte von Bhima, Bhasa und Dridha“

Erleuchtung geschieht nicht inmitten der gewöhnlichen, alltäglichen menschlichen Welt. In der logischen Welt des alltäglichen Bewusstseins ist die Erleuchtung aus Prinzip unmöglich, sie ist unzulässig, unvorstellbar, verboten, weil sie allen Gesetzen und Inhalten dieser Welt widerspricht.

Das Erscheinen eines Erleuchteten – und selbst die Idee der Erleuchtung – sind Tatsachen, die auf das gesamte, durch Karma bedingte System an Anschauungen und Werten der gewöhnlichen Welt störend wirken. Denn alle Illusionen dieser Welt, alle ihre Grundwerte und Inhalte zittern im Moment der Erleuchtung, werden in Frage gestellt und verschwinden danach wie ein Traum.

Wenn es Erleuchtung gibt, dann gibt es keine Welt, wenn es die Welt gibt, dann gibt es keine Erleuchtung. Die Welt existiert nur deswegen, weil es keine Erleuchtung gibt.

Das Erscheinen der Erleuchtung und eines Erleuchteten räumen in einem Moment mit der gewöhnlichen Welt auf, mit allen ihren Inhalten, Gesetzen und Werten, so wie ein Lichtstrahl sofort die Macht der Finsternis aufhebt, auch wenn sie Millionen von Jahren lang vorhanden war. Die gewöhnliche Welt und die Erleuchtung sind nicht miteinander vereinbar, sie können nicht nebeneinander existieren, genauso wie die Dunkelheit nicht die Präsenz von Licht verträgt, da sonst die Dunkelheit eben nicht Dunkelheit bleiben würde.

Deswegen ist Erleuchtung eine Erscheinung aus einer anderen Welt, in der das Sein sich noch nicht zur Illusion umgeformt, die Zeit sich noch nicht geteilt und der Raum sich noch zu keiner Dimension reduziert hat.

Unwissenheit ist nur in der verfestigten Welt grober materieller Objekte möglich, wenn das Bewusstsein auf die Ideen „Ich bin der Körper“ und „Die Welt existiert unabhängig von mir“ fixiert ist.

Die Erleuchtung entstammt dem ursprünglichen, hohen, sich selbst organisierenden Chaos der Schöpfung, dem Licht der jenseitigen, transzendenten, zauberhaften Welt, in der Quantenunbestimmtheit , Wahrscheinlichkeit und Stochastizität vorherrschen. Dort ist die Zeit nicht getrennt vom Raum, das unendlich Große kann innerhalb des unendlich Kleinen Platz finden, da kann eine Form formlos sein, und das Subjekt ist untrennbar vom Objekt.

Dort sind das Ich und Gott eins, gleichzeitig eins und nicht eins, aber auch weder eins noch nicht eins.

Wer ist ein Jnani?


„Er schläft in vollkommenem Frieden, auch ohne ein Bett. Obwohl seine Kräfte mit Tätigkeiten befasst sind, genießt er eine Ruhe wie im Tiefschlaf. Das ist unglaublich. ...

Derjenige ist wirklich trunken, der diese Welt nicht sieht, auch wenn seine Augen weit offen sind. Er genießt die Glückseligkeit des Tiefschlafes und hat die Idee einer Welt aus seinem Herzen verbannt, er hat die Fülle erlangt, bis zum Rand.“

Yoga Vasishtha

Kap. 6.2.169, „Die Geschichte vom Jäger und dem Reh“

Wer ist ein Jnani? Es ist nicht einfach, das zu erklären. Es handelt sich nicht um ein Ritual, einen Titel oder ein Zeichen der Heiligkeit. Es ist ein Hinweis darauf, dass der Mensch Erkenntnis erlangt hat und jetzt die Welt sieht, wie sie tatsächlich ist. Es ist ein Anzeichen dafür, dass er in tiefer Bewusstheit verweilt und die Illusion des Samsara keine Macht mehr über ihn hat.

Ein Jnani zu sein, bedeutet nicht mehr ein Mensch, sondern absolut zu sein, sich als das Absolute zu fühlen. Einen Jnani im menschlichen Sinne gibt es nicht. Er lebt nicht wie gewöhnliche Menschen in der Dimension der menschlichen Wahrnehmung.

Er lebt in der Dimension des Spiels des Absoluten. Deswegen sagt man, dass er spielt. Oder besser noch, dass das Absolute in und mit seinem Körper spielt.

Ein Jnani unterscheidet sich von gewöhnlichen Menschen, genauso wie göttliche Wesen, Außerirdische, Geister, Engel sich von den Menschen unterscheiden, sogar noch wesentlicher, auch wenn er äußerlich wie ein gewöhnlicher Mensch aussehen kann, der in triviale Angelegenheiten vertieft ist.

Auf den ersten Blick geht, spricht, isst, trinkt, lacht und schläft ein Jnani genauso wie ein normaler Mensch. Aber es ist nicht so. Ganz und gar nicht, überhaupt nicht.

In der Tiefe seiner Seele ist der Jnani entsagt, völlig entsagt, von allem Weltlichen und Menschlichen.

Alle Menschen leben tatsächlich. Nur ein Jnani spielt, wie ein Schauspieler im Theater.

Alle Menschen leben tatsächlich ihr Leben, denken, lieben, glauben, hoffen, hassen, streben nach irgendetwas, und nur ein Jnani spielt seine Rolle wie ein Schauspieler in einem Theaterstück. Aber sein Theaterstück endet nie, und er hört auch keinen Applaus hinter dem Vorhang.

Alle Menschen haben eine Vergangenheit und streben nach etwas in der Zukunft, aber für einen Jnani ist die Zeit stehengeblieben. Für ihn gibt es weder Vergangenheit noch Zukunft.

Alle Menschen tun irgendetwas, der Jnani jedoch nicht, denn es gibt ihn nicht, und es gab ihn auch nie.

Für alle Menschen hat die Welt, ihre Probleme, Ereignisse und Beziehungen den Charakter der Realität. Aber für einen Jnani ist dies alles nur Traum, Illusion, Spiel.

Ein Jnani distanziert sich vollkommen von allem Weltlichen, allem Sichtbaren, allem Fühlbaren, als würde er in einem Traum leben, einem tiefen Traum. Er kann aufrichtig weinen und lachen, mit gewöhnlichen Menschen fröhlich sein, aber das stellt nicht mehr dar als das talentierte Spiel eines Schauspielers auf der Bühne des Lebens.

Ein Jnani sieht und fühlt die Welt anders. Fasst man die Sichtweise des Jnanis in einigen grundlegenden Äußerungen zusammen, dann folgendermaßen:

- Die Welt ist nicht real, sie ist eine Illusion, ein Traum.

- Die Welt ist die Projektion des Ichs.

- Es gibt nur das Ich. Das Ich ist großartig, das Ich ist die Schöpfung selbst.

- Das Ich ist das einheitliches, unteilbare höchste Wesen, das Absolute.

- Körper, Verstand, Gefühle, Gedanken, Ego sind nicht das Ich.

- Alles Sichtbare ist eins mit dem Bewusstsein.

- Es geht aus ihm hervor und ist seine Projektion, sein Spiel.

- Alles ist göttlich, rein und vollkommen.

- Alles, was geschieht ist Lila, das Spiel Gottes und seiner Energien.

- Es gibt keine Konzepte, alle Anschauungen sind unwirklich, nur Spiel des Verstandes.

- Nichts besitzt Relevanz, alles ist gleich.

- Es gibt weder Schlechtes noch Gutes, alles ist vollkommen, göttlich.

- Mich gibt es genauso wenig wie das Universum.

- Nichts geschieht, nie, aber die Spiele des Absoluten sind unendlich und unbegreiflich.

- Das Universum wurde nie erschaffen, und jetzt ist es auch nicht existent.

- Es gibt keine Zeit, keinen Raum, keine Ursachen, keine Folgen, keine Handlungen, keine aus sich heraus Handelnden.

- Alles um uns herum ist durch das Bewusstsein entstanden.

- Es gibt weder Geburt noch Tod, es gibt nur verschiedene Zustände. Diese bringen sich in physischen, astralen und kausalen Körpern zum Ausdruck – und selbst sie sind eine Illusion.

- Es gibt keine Wahrheit, keine Lüge, es gibt nur Bewusstsein und dessen schöpferischen Willen und seine Energie.

- Mit Hilfe des Verstandes lässt sich nichts bestimmen, aussprechen und beschreiben.

- Wer sich an mentale Anschauungen klammert und sich an das Ego bindet, versteht solche Thesen nicht, irrt sich, bleibt in Unwissenheit und leidet darunter.

- Es gibt nur das höchste Absolute, das eine Wesen, und Vielfalt ist eine Illusion.

Ein Jnani ist nicht, wie viele eventuell denken könnten, nur ein Philosoph. Er lebt vielmehr diese Axiome jede Sekunde seines Lebens, Tag und Nacht.

Diese Axiome sind nicht die Frucht seiner mentalen Übungen, sie sind echte, lebendige Erfahrung, all das ist sein direktes Erleben, für das er einen hohen Preis bezahlt hat: sein begrenztes Ego-Ich, seine eigenen Illusionen.

Zwei Welten


„Für uns Erleuchtete gibt es keine Schöpfung, keinen Tod und kein Aufhören von etwas –

alles ist auf ewig ungeboren und friedvoll. Brahman ist reines Sein. Auch die Welt ist reines Sein.

Wen können dann Gebote und Verbote betreffen?“

Yoga Vasishtha

Kap. 6.2.146, „Die Geschichte vom Jäger und dem Reh“.

Ein Jnani ist erleuchtet, weil er seine transzendentale Natur kennt. – Aber was bedeutet das?

Ist es möglich, seine transzendentale Natur zu kennen, erleuchtet zu sein, inmitten einer gewöhnlichen, menschlichen Welt? – Natürlich nicht.

Ein Jnani lebt nicht in der Dimension der Menschen, auch wenn es den anderen so erscheinen mag, weil sie seinen Körper sehen, seine Stimme hören, seine Handlungen bewerten und so weiter.   Das ist eine Illusion. Tatsächlich lebt ein Jnani in einer anderen, unglaublichen Welt, in der Dimension der Nondualität, in der die Zeit noch nicht in Vergangenheit und Zukunft aufgespalten ist.

Und der Raum hat dort seine Mehrdimensionalität noch nicht erhalten, aus der heraus damit auch die Basisprinzipen des Universums noch nicht geboren sind. In dieser Dimension ist der Jnani das Zentrum des Universums, die ganze Welt befindet sich so in seinem Bewusstsein, wie sich Mond, Sonne und Himmel widerspiegeln.

Die Welt eines Jnani ist unbegreiflich, rätselhaft, unwahrscheinlich bis zur Unmöglichkeit. Sie existiert einfach nicht, sie kann für jemanden, der in der gewöhnlichen Welt lebt, eigentlich gar nicht vorhanden sein. Aber für einen Jnani ist diese Welt absolut real. Mehr noch, für einen Jnani erscheint umgekehrt die dualistische Welt der Menschen unwirklich zu sein; für ihn ist sie eine Illusion wie ein Traum, und nur seine Welt ist die einzige, wirkliche, höchste, unbestreitbare, keinen Veränderungen unterworfene Realität.

Wodurch unterscheiden sich die gewöhnliche Welt und die Welt des Jnanis?

Der Bewohner des Samsara, also der gewöhnlichen Welt der Dualität, hält seine Welt für real, getrennt und unabhängig vom Bewusstsein. Und der Jnani sieht sie als Illusion, als Projektion seines Ego-Ichs. Wer sich in der karmischen Welt des Samsara befindet, der denkt „Dieser Körper bin Ich“, aber ein Jnani weiß, dass er nicht der Körper ist. Er weiß es sicher, denn er erlebt etwas anderes: „Ich bin Brahman. Ich bin das Absolute. Ich bin Quelle, Anfang und Ende von allem. Ich bin alles. Ich bin ewig und unendlich.“

Befindet man sich in Samsara, dann empfindet man die Zeit als objektiv, unabhängig und in drei Arten geteilt, Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart, und nimmt den Pfeil der Zeit als aus der Vergangenheit in die Zukunft fliegend wahr und nie anders.

Für einen Jnani gibt es die Zeit überhaupt nicht, er lebt immer in einer Art paradoxer Gegenwart, seine Zeit fließt nirgendwohin, sie bewegt sich nicht.

Der Pfeil der Zeit kann sich für ihn in jede Richtung drehen, nach vorne, nach hinten, im Kreis oder wie eine Spirale. Im Samsara lebend sieht man Vielfalt – an Lebewesen, Objekten, Gegenständen, Dingen, Verbindungen, Beziehungen, die in keiner Weise miteinander verbunden sind.

Ein Jnani sieht die Einheit von allem, er sieht nur den einheitlichen Kontext, die Vielfalt verwirrt ihn nicht. Ein Bewohner des Samsara glaubt, real zu sein, und hält die Welt, in der er lebt, für real. Er lebt tatsächlich.

Ein Jnani kennt den illusionären Charakter seiner eigenen Existenz, der Welt und seines Lebens darin, und deswegen lebt er sein Leben nicht, er „spielt“ es.

Ein Jnani lebt immer spielerisch, in der Dimension eines Spiels. Sein ganzes Leben ist nur ein göttliches Spiel. Darin kann man nichts von der gewohnten Realität finden, kein einziges Staubkorn.

Der Jnani existiert nicht als Person, als Person an sich. Seine Existenz ist ein Spiel für die anderen.

Wer in der Unwissenheit lebt (also ein Ajnani), wer im Samsara vertieft ist, für den wirkt die Welt getrennt, unabhängig vom Ich und erscheint ihm deswegen nicht steuerbar zu sein. Für einen Jnani ist die Welt eins mit seinem Ich, und daher weiß er, dass man sie genauso steuern kann, wie die eigenen Gedanken.

Der Bewohner der gewöhnlichen Realität lebt in einer Dimension, in der eine Ursache unbedingt eine Wirkung hervorbringt, und das gar nicht anders sein kann.

Ein Jnani befindet sich in einer Welt, in der Ursachen und Wirkungen voneinander nicht abhängen.

Sie können sogar ihre Reihenfolge tauschen oder spontan aus sich heraus entstehen, ohne eine Verbindung miteinander. Wenn ein normaler Mensch eine Straße entlang geht, dann weiß er, dass sein Gehen eine Wirkung hervorrufen und er nach Hause kommen wird.

Er sieht sich als den Erschaffer des Grundes, der ein folgerichtiges Resultat ergibt. Aber wenn ein Jnani eine Ursache schafft, erwartet er nicht, dass ein ganz konkretes Ergebnis daraus entsteht.

Er hat immer die Wahl, einen ganzen Fächer möglicher Folgen, eine unendliche Vielfalt an wahrscheinlichen Varianten, und nur er kann entscheiden, welche Wirkung aus seiner Handlung entsteht.

Auch wenn es anderen Beobachtern, von der Seite betrachtet, so erscheint, dass der Körper des Jnanis nach Hause geht, impliziert das noch nicht, dass er selbst nach Hause kommt. Denn er existiert nicht außerhalb des Absoluten, deswegen geht er nirgendwohin, er ist in Untätigkeit, sein Geist befindet sich jenseits jeglicher Begrifflichkeit in einer Welt, deren Raum seine Mehrdimensionalität, seine Grenzen und seine Gestalt noch nicht angenommen hat.

In einer derartigen Welt kann das Universum in einen Samen Platz finden, und ein Staubkorn kann in seinem Inneren Systeme aus Milliarden Universen beinhalten.

Die Welt eines Menschen in Samsara basiert auf Gedanken, Logik und geregelten Doktrinen. Die Welt des Jnanis ist analog, paradox, irrational, keine Logik arbeitet in ihr, sie würde nur stören.

Alle großen Theorien der Welt, alle genialen Formen verschwinden wie Rauch, wenn sich ein Jnani im Zustand jenseits des Verstandes befindet, in dem es vorstellbar ist, dass Elefanten fliegen, eine Öllampe denkt, ein Stuhl tanzt, ein Affe Steine isst, Hasen mit Hörnern herumspazieren, Stumme singen, und man dem Kind einer unfruchtbaren Frau begegnen könnte.

In einer solchen Realität läuft ein Hase mit Hörnern auf dem Rücken einer haarigen Schildkröte auf einem Regenbogen, begegnet einem Frosch, der den Elefanten verschluckt, damit man einen König aus der Zukunft besiegt, der in einer Illusion lebt. Das ist die Welt der Paradoxien, die Welt des Schöpfers, Brahmas, der uralten Ahnen, der Beschützer der Welt, der Rishis und Kumaras sowie der Eltern der Menschheit, der Manus und Siddhas.

Wer in Samsara lebt, hält sich für den Handelnden und schreibt sich die Früchte seiner Handlungen zu. Ein Jnani hält sich nicht für den Handelnden, durch ihn spielt Sat-Cit-Ananda , und darin sieht ein Jnani keinen persönlichen Verdienst. Denn selbst die Existenz eines Jnanis als Person ist nur eine Illusion.

Die Welt eines Bewohners von Samsara erscheint linear, geordnet und eindeutig.

Die Welt eines Jnanis ist voller Wahrscheinlichkeiten, uneindeutig, in ihr herrscht Quantenunbestimmtheit. In dieser Dimension kann eine Eins auch Null sein oder egal welche Anzahl an Bedeutungen annehmen. In der Welt des Jnanis kann man über nichts eindeutig und kategorisch reden. In seiner Welt kann man über etwas nur sprechen im Rahmen dafür bestimmter Einschränkungen, Arten und Verhältnisse.

Die Samsarasbewohner sehen ihre gewohnte Welt als geographisch und topographisch konkretisiert an, als durch unabhängige lineare Objekte, Koordinaten und Größenangaben geordnet, deswegen erscheint ihnen das Universum als klare räumliche Struktur.

Für einen Jnani besteht außerhalb des Bewusstseins überhaupt kein Raum. Es gibt keine unabhängig existierende Geographie, keinen Topos der Welt. Alles Vorhandene geht aus dem Bewusstsein hervor, und da das Bewusstsein nicht gleichförmig ist, kann etwas Kurzes manchmal lang sein oder kann sich innerhalb eines kleinen Raumes etwas Großes verbergen. Lineare Strukturen und Ordnungen der äußeren Welt existieren für einen Jnani objektiv nicht, denn die Welt hängt vom Bewusstsein ab, und das Bewusstsein besitzt eine komplexe, ungeordnete Struktur.

Ein Jnani versteht, dass Entfernungen, Zeitintervalle, Größenmaße, Anordnungen von Welten, Gesetze und Konstanten beliebig sein können und nur durch die Kraft des Bewusstseins bestimmt werden und durch die schöpferische Kraft dessen, der den Topos der Welten determiniert.

Für einen samsarischen Bewohner existiert die Welt des Absoluten nicht, es gibt nur die menschliche Welt. Für einen Jnani ist alles das Absolute, dessen Atem durchdringt alles und alle.

Wenn ich von samsarischen Bewohnern spreche, verstehe ich darunter nicht unbedingt Menschen, die in weltliche Tätigkeit und Anhaftungen vertieft sind, sondern ich meine vor allem eine derartige Sichtweise, die durch die Unwissenheit und durch das Ego, das auf dem Verstand basiert, begrenzt ist.

Manchmal kann ein samsarischer Bewohner Zeichen spiritueller Zugehörigkeit zu irgendeiner Religion tragen, sehr belesen sein und heilige Schriften zitieren, theologische Debatten führen oder die Überlegenheit seiner Religion behaupten.

Aber ohne das Erfassen des Wesens des Ichs, das jenseits von Körper, Begrifflichkeit, Zeit und Raum steht, ohne das Zurückschneiden und Besänftigen des Egos, von Hoffnungen und Anhaftungen, und ohne das Erlangen der nondualistischen Bewusstheit wird ein solcher spirituell Suchender leider weiter ein samsarischer Bewohner bleiben.

Der sieht die Welt mit dem gewohnten, eingetrübten Blick einer unreinen Sichtweise, für ihn ist alles gewöhnlich, primitiv, konkret und materiell.

Ein Jnani sieht die Welt durch die Augen der reinen Sicht. Für ihn ist alles heilig, göttlich, jedes Lebewesen ist eine Gottheit, jeder Ton ein Mantra, jede Handlung ein göttliches Spiel, ein unbegreifliches, unglaubliches, verzauberndes Lila des Absoluten.

Selbsterforschung und Struktur des Bewusstseins eines Jnanis


„Ich bin weder die Freuden noch gehören mir diese an; auch nicht bin ich dieser Intellekt und die Sinnesorgane noch gehören diese mir an, denn sie sind leblos und ich selbst fühlend. Ich bin nicht der Verstand, welches die Wurzelursache dieses unwissenden Zyklus von Geburt und Tod ist. Ich bin weder diese Fähigkeit zur Unterscheidung noch der Ich-Sinn, denn dies sind nur Ideen, die im Verstand auftauchen. Was bleibt dann übrig? Was verbleibt, ist der fühlende Jiva. Jedoch ist dieser in die Subjekt-Objekt-Beziehung verstrickt. Was das Objekt der Erkenntnis oder des Verstehens ist, ist nicht das Selbst. Daher gebe ich das auf, was gekannt werden kann – das Objekt. Was nun noch verbleibt, ist das reine Bewusstsein frei vom Schatten des Zweifels. Ich bin das unendliche Selbst, denn es ist da keine Schranke für dieses Selbst.“

Yoga Vasishtha

Kap. 5.59, „Die Geschichte von Suraghu“

Der Geist von Menschen, die nicht zur Selbsterforschung hingeneigt sind, sondern sich völlig in Samsara verstrickt haben (Ajnanis) ist auf äußere Objekte gerichtet.

Wegen dieser Fixierung haben sie keine Möglichkeit, sich selbst zu erforschen. Im Ergebnis kennen sie sich nicht, ihr Bewusstsein ist sehr verwirrt und sie erleben ständig Schwierigkeiten, Verwirrung und Leid.

Für Menschen der gewöhnlichen Welt, die üblicherweise nur die äußere Welt untersuchen, existiert eine Untersuchung des eigenen Bewusstseins (Vichara) so gut wie nicht. Das Fehlen von Vichara ist jedoch der Hauptgrund für Unwissenheit, Wiedergeburt und Leid sämtlicher Wesen.

Ein Jnani startet mit der Selbsterforschung seines inneren Instruments (Antahkarana), seines subtilen Körpers.

Bei dieser Untersuchung stellt ein zukünftiger Jnani fest, dass sein subtiler Körper aus den folgenden Teilen besteht:

- Verstand (Manas)

- Intuitives Bewusstsein (Buddhi)

- Ich-Empfinden (Ahamkara)

- Gedächtnis, Aufbewahrung der Erinnerungen (Citta)

- Strom des Bewusstseins (Chaitanya)

Manas

Manas ist der Verstand, der mit Hilfe der Logik operiert. Manas schätzt ständig ein, urteilt, sucht aus, nimmt an und lehnt ab. Der Verstand selbst hat kein inneres Licht, er ist wie ein Werkzeug, das von Buddhi gehandhabt wird.

Seine Hauptfunktionen sind:

- Sankalpa: Wille und Absicht, auf Erwünschtes ausgerichtet, bei Ablehnung des Unerwünschten

- Vikalpa: Phantasie, Einbildung und Instabilität

- Manana: kontemplierende Selbstreflexion, Überlegen

Im Verstand eines Jnanis tobt während des Prozesses der meditativen Betrachtung und Selbsterforschung ein ständiger Kampf zwischen Sankalpa und Vikalpa, zwischen eigentlichem Wunsch und ablenkenden Träumereien. Gewinnt Sankalpa, folgt der Verstand seinen Vorsätzen, gewinnt Vikalpa, versinkt er in Phantasien und Ablenkungen.

Buddhi>

Buddhi ist die höhere Intelligenz, das intuitive Unterscheidungsbewusstsein, das den Verstand reguliert. Buddhi erarbeitet die Strategie des Lebens, seine Werte und Ziele und gibt seinem Diener Manas Befehle.

Unterscheidungsvermögen und unterscheidende Weisheit, die beide Buddhi zu eigen sind, stellen das Schwert in den Händen des Jnanis dar. Versucht die Unwissenheit, seinen Verstand zu verwirren, schwingt der Jnani dieses Schwert und trennt die Unwissenheit vom reinen Bewusstsein ab. Diese Unterscheidung erlaubt es, den reinen Raum des einem Spiegel gleichenden Bewusstseins, von allem zu trennen, was dies nicht ist – also vom Verstand, von den äußeren Objekte und von anderen derartigen Widerspiegelungen.

Seine Haupteigenschaften sind:

- Unterscheidung (Viveka), also die Fähigkeit, das Wirkliche und das Unwirkliche voneinander zu trennen

- Leidenschaftslosigkeit (Vairagya), die Entsagung und die Kontrolle der Gefühle

- Zufriedenheit (Santosha), die Besänftigung des Verstandes, eine aus dem eigenen Inneren hervorgehende Harmonie, Selbstgenügsamkeit, das Vollständig-Sein

- Ruhe (Shanti), innerer Frieden, Ruhe, Freude

- Geduld (Kshama), Demut, das Annehmen dessen, was geschieht

Ego

Das Ego (Ahamkara) gleicht einem Klebestoff, der alle Teile des Bewusstseins zu einer einmaligen Individualität zusammenbringt, die ein Gefühl ihrer eigenen Wertigkeit besitzt.

Seine Hauptfunktionen sind Stolz, Egoismus und Überheblichkeit, die auf dem Gefühl der eigenen Wichtigkeit basieren (Abhimana), auf dem Gefühl, etwas zu besitzen, sich anzueignen und auf dem Empfinden „das ist meines“ in Bezug auf Körper, Emotionen und Gedanken, die so als die eigenen erlebt werden (Madiya).

Dazu kommt das Gefühl, Glück und Unglück würden einem selbst gehören, die eigenen sein (mama-sukha, mama-dukha). Man empfindet „das ist meines“ und den Wunsch, was einem gefällt nur für sich zu haben (mama-idam).

Die Heiligen charakterisieren das Ego als einen starken Geist, der – solange er nicht besänftigt ist – nur Leid hervorbringt, indem er den Menschen anleitet, Buddhi zu unterdrücken und das Bewusstsein zu verengen. Deswegen ist es unerlässlich, das Ego mit Praktiken wie der Achtsamkeit, der Selbsterforschung, der Hingabe, des Dienstes, der Demut und der Selbstaufgabe zu beschäftigen, solange es sich nicht gereinigt hat und noch nicht zu einem reinen, gehorsamen und folgsamen Instrument eines Jnanis geworden ist.

Ein solches Ego ist eine große Errungenschaft auf dem Weg des Jnanas, es ist eine reine Form des Sattva , es ist fähig, den Willen von Buddhi und das Licht und den Glanz des Atman hindurchzuleiten.

Citta

Citta, die Aufbewahrung der unbewussten Erinnerungen, gleicht einem großen persönlichen Archiv, in dem Aufzeichnungen aller Erlebnisse und mentaler Abdrücke (Samskaras) aufbewahrt werden. Genau diese Abdrücke bestimmen den Ort der zukünftigen Geburt, den Charakter, das Schicksal sowie Motivation, Inhalte, Werte und Ziele eines Menschen, sie bewegen ihn zum Handeln und formen verschiedene Eigenschaften. Ein Mensch ist das, an was er sich über sich selbst erinnert.

Sein Gedächtnis formiert sich auf der Grundlage der Erinnerungen aus der Vergangenheit und nimmt dann die Form der zukünftigen Tendenzen an.

Ein Jnani dringt in das Citta ein, sucht und analysiert Abdrücke und Aufzeichnungen und kann auf diese Weise seine innere Realität selbst formen. Indem er seine Erinnerungen und Abdrücke (Samskaras) reinigt, verändert er sein Schicksal. Er versteht, dass man zum Designer seiner Vergangenheit und seiner Zukunft werden kann, wenn man in der Lage ist, die Erinnerungen zu verändern, denn alles ist lediglich Ausdruck des Bewusstseins, nichts existiert wirklich.

Die Erinnerungen gleichen den Fotos in einem Album, bei dem die Fotos das Schicksal der abgebildeten Person bestimmen. Diese Fotos entsprechen den angesammelten Eindrücken, die man beliebig transformieren und löschen kann. Steigt man in die Tiefe des Citta hinab, also in die aufbewahrten persönlichen Aufzeichnungen, um die in dieser astralen Chronik angesammelten Eindrücke zu verändern – so wie bei Fotos im Album –, dann ändert sich auch das Schicksal der Person, in der Vergangenheit wie in der Zukunft.

Die Haupteigenschaften des Cittas sind:

- Smriti (Gedächtnis): die Ansammlung der Erinnerungen, ihre Aufbewahrung, der Überblick darüber, die Auswahl und Anwendung als Lebenserfahrung,

- Dhriti (Verfestigung, Stabilität): die Unerschütterlichkeit des Bewusstseins, das die Eindrücke erlebt.

Chaitanya

Chaitanya ist der Strom des sich selbst bewussten, sich selbst reflektierenden und durch nichts begrenzten Bewusstseins. Es umfasst die eigene innere Selbstreflexion und Selbstorganisation. Der Strom des Bewusstseins eines Jnanis hat keine Grenzen, er hat kein Zentrum, er durchdringt alles im Universum, es gibt nichts, was er nicht erreichen könnte. Alle Wünsche (Sankalpas) und Kräfte des Universums liegen in ihm als subtile Samen, die sich in dem Moment zum Ausdruck bringen können, wenn das Licht auf sie fällt.

Seine Funktionen bringen sich zum Ausdruck als:

- Vimarsha: Selbstreflexion, Überlegungen, Analyse, Synthese, Verallgemeinerung der Eindrücke der Sinnesorgane, Regulation der Gedankenströme

- Chintana: Bewusstheit, Widerspiegelung des Lichts des Atmans; die Fähigkeit, die meditative Bewusstheit auf die Weite des Himmels auszudehnen, während Verstand und mentale Prozesse stillstehen

- Shilana: das innere tiefe Gute, jene Selbstorganisation, die dem höchsten Ich zu eigen ist

- Nisprihatva: Unvoreingenommenheit; sich in einem Zustand befinden, in dem man nicht auswählt und demzufolge keine Wertungen und Meinungen entstehen

- Dhairya: Unerschütterlichkeit, Angstlosigkeit; und als Folge davon das Kennen der natürlichen Bewusstheit, eines Bewusstseins wie der Raum, ewig, unendlich, allgegenwärtig und alldurchdringend

Wenn der zukünftiger Jnani mit Hilfe seiner Unterscheidungsfähigkeit die Struktur des eigenen subtilen Körpers klärt und seine Funktionen versteht, vergeht seine innere Verwirrung. 


Kapitel 7

Die innere Welt eines Jnanis
Illusion


„Der Herr kann nur dann erkannt werden, wenn man fest im Verstehen der Unwirklichkeit des Universums verankert ist, wie auch die Bläue des Himmels als unwirklich verstanden wird.“

„Der höchste Herr wird nur dann erkannt, wenn die Welt als gänzlich inexistent erkannt wird.“

Yoga Vasishtha

Kap. 3.7, „Über die Weltentstehung“

Mit der Betrachtung der Welt als Traum, als Illusion, befasste ich mich zusammen mit der Praxis der Selbsterforschung, des „Wer bin Ich“, zehn Jahre lang ununterbrochen und zielgerichtet. Jetzt setzt sich diese Sicht natürlich fort, obwohl sie meine Wahrnehmung nicht dominiert.

Ich sehe die Welt als Traum, als Illusion. Das sind nicht nur Worte. Ich kenne das als mein Wesen. Ich erlebe es, ich fühle es, ich verstehe es. In jedem Moment meines Lebens erinnere ich mich daran, mit jeder Einatmung, mit jeder Bewegung der Augen. Ich bin bereit, alles zu vergessen, nur das nicht.

Dieser Untersuchung widmete ich die dreißig besten Jahre meines Lebens und bedauere das keine Sekunde lang – im Gegenteil, diese Suche hält in jeder Sekunde an und schenkt mir die größtmögliche Inspiration.

Ich habe für diese Suche die alten Werte und Anschauungen hinter mir gelassen, die Welt, die Familie, das Haus, die Arbeit, die übliche Lebenswiese und alles, was mir als einem Menschen der gewöhnlichen Welt lieb und teuer war, und wurde zum wandernden Sadhu.

Ich habe mich restlos weggegeben, um es zu erfahren. Und ich habe es erfahren. Die Welt ist eine Illusion, mit nichts darin – wirklich. Leider für das Ego und zum Glück für das Ich!

Was fühlen Sie, wenn sie diese Worte lesen? Erwarten Sie vielleicht eine Lehrstunde in der Philosophie des Idealismus oder des kritischen Solipsismus ?

Nein.

Es geht um ein großes, für den Verstand schreckliches, göttliches Geheimnis, von dem Kälte und Einsamkeit ausgehen, einen Abgrund, ein Geheimnis, das alle Ihre Vorstellungen über das Leben und die Welt, in der Sie leben, auf den Kopf stellt.

Wenn Sie dieses Geheimnis berühren, brennt es wie Feuer, verbrennt alles in Ihnen zu Asche oder lässt es an der universellen Kälte sterben und macht Sie zu einem Menschen des Geistes. Oder es erschrickt Sie zu Tode, raubt Ihnen den Willen und die Freude am Dasein, zwingt Sie zum Rückzug, lässt Sie zittern und in Ihre gemütliche kleine Welt der gewohnten Träume und menschliche Illusionen zurückweichen, wo alles vertraut, bequem und – am wichtigsten – real ist.

Unsere Pläne, unsere Kindheit, unsere Liebe, unsere Ängste, unser Leben, unsere Kultur, unsere Erfolge, politische Nachrichten, unsere Familie, unsere Vergangenheit, unsere Geschichte, unsere Freundschaft, unsere Wissenschaft, unsere Zeitrechnung, unser Weltbild, unsere Sünden, unsere Gesetze der Physik, der Zeit und des Raumes, unsere Himmel und Höllen, sie alle sind Illusionen wie ein Traum, ein Spielfilm, ein Theater, sie sind ein Spiel der Phantasie.

Wie fühlt es sich für Sie an, darüber nachzudenken?

Dies alles erschafft unser Ich jede Sekunde, aus freien Stücken, mit der Kraft der gewöhnlichen Tendenzen.

Es gibt unendlich viele Tunnel der Realität mit einer unendlichen Anzahl an Varianten des Universums. Einige sind fern von uns. Andere sind uns näher. Wir gleiten und kriechen durch diese Varianten wie ein Wurm, der sich in einem Apfel einen Weg bahnt. Jede Wendung unseres Bewusstseins bringt uns näher an einige Varianten heran und entfernt uns von anderen. Aber sie alle sind nicht real.

Menschen, Katzen und Hunde – das ist das Brahman in den Körpern der Menschen, Katzen und Hunde, die nur seine Kostüme sind. Vögel, Hirsche, Fische – das ist alles das Brahman, das sich so kostümiert.

Gedanken, Freunde, Verwandte, Vermögen, Himmelsbewohner, Geister, Wesen der niederen Welten, Dämonen sollen Sie nicht verwirren, denn es ist alles nicht das, was wir denken – es ist das Absolute, das sich als Freunde, Verwandte, Himmelsbewohner, Geister, Dämonen und so weiter verkleidet.

Es gibt nichts außer dem Absoluten. Alle Formen sind sein Spiel und dem Wesen nach Illusion.

Aber wie hilft mir das im Leben?

Ich antworte: den illusionären Charakter der Welt anzuerkennen, bedeutet, seine Unwissenheit und sich selbst herauszufordern.

Das ist der erste Schritt zur Freiheit. Aber nicht der letzte.

Das Wissen, dass die Welt illusorisch ist, befreit Sie von der Macht der Inhalte dieser illusionären Äußerlichkeiten sowie der auf ihnen basierenden Werte, Ziele und Handlungen.

Und das ist, glauben Sie mir, sehr wertvoll.

Wenn Sie verstehen, dass die Welt eine Illusion ist, stützen Sie sich auf nichts mehr und auf niemanden, außer auf Ihr eigenes Ich. Sie übernehmen zum ersten Mal die Verantwortung für Ihr Leben, auch wenn es Sie zunächst erschreckt.

Jetzt wird Sie nämlich auch nichts und niemand mehr trösten, unterstützen, aber eben auch keine falschen Hoffnungen geben, falsche Ängste erwecken, Sie mit falschen Inhalten und Werten verzaubern. Das ganze Universum ist eine große Illusion und real sind nur Sie selbst.

Aber Sie selbst sind nicht der, für den Sie sich halten.

Sie sind das Absolute, das Über-Sein, das Überbewusstsein, die extreme Glückseligkeit. Sie sind alleine, es gibt niemanden außer Ihnen, aber Sie sind nicht die kleine Person, für die Sie sich halten.

Wenn Sie die Illusionshaftigkeit der Welt verstehen, werden Sie natürlich nicht von Hunger, Kälte, Durst und so weiter frei. All dies wird weiterhin auf Ihren Körper Einfluss ausüben. Aber Ihr Verstand wird frei von dem unreifen Glauben an die Wirklichkeit dieser Welt. Sie werden sich dessen bewusst, dass die Welt aus Ihnen ausgeht, jeden Moment erschaffen wird, von Ihnen, von Ihren Gedanken, von Ihren Auswahlentscheidungen in jeder Sekunde, selbst von minimalen Beschlüssen und Willensäußerungen.

Das ist der erste Schritt zur Verwaltung der Realität.

Nur indem Sie den illusionären Charakter dieser Welt erkennen, bekommen Sie Macht über die Realität, nehmen die Steuerung Ihres Schicksals und Lebens selbst in die Hand. Wer das nicht versteht, kann ein Leben nicht steuern. Das Leben und das Schicksal werden Sie verwalten, oder einfacher gesagt, sie werden Sie tragen, wie kleine Holzstücke auf dem starken und schnellen Fluss der Zeit.

Das Geheimnis


„Wie groß ist doch dieses rätselhafte Wunderwerk, dass das höchste Ich, welches reine Bewusstsein oder Intelligenz ist, auf seltsame Weise seine eigene Natur zu vergessen scheint und sich selbst als Jiva, individuelle Seele, betrachtet“.

Yoga Vasishtha

Kap. 6.1.40, „Deva Puja“

Wenn Sie wenigstens ein wenig, auch nur für eine Sekunde, die Natur der Realität berühren, gelangt ein Geheimnis in Ihr Herz.

Die Majestät des göttlichen Mysteriums.

Wohnt das Geheimnis noch nicht bei Ihnen, dann bedeutet dies, dass Sie die Realität noch nicht mal mit der Spitze des kleinen Fingers angetastet haben, sondern das noch vor Ihnen liegt. Wer mit diesem Geheimnis der Realität in Verbindung kommt, verändert sich für immer, denn dieses Mysterium entwertet alles Kleine, Dumme, Gewöhnliche, Alltägliche und Menschliche im Menschen und macht ihn zum Menschen auf dem Weg, zum Sadhu.

Wenn der Mensch auf diesem Weg nicht zurückschreckt, nicht wegläuft, das Geheimnis nicht verrät, seinen Kopf nicht wie im Rausch verliert, dann bleibt das Geheimnis für immer in seinem Herzen und verlässt ihn nicht.

Zuerst lehrt es ihn von außen. Es wird zum Fixstern, zum wegweisenden Licht seines Lebens. Es wird ihn inspirieren und voranbringen, ihm Kraft verleihen und Illusionen rücksichtlos abschneiden. Das Mysterium wird zum Ziel des Lebens, zum Weg und zur Frucht.

Es wird zu seinem Schatten, zu seiner Leidenschaft, die ihn in die Weite führt, so wie ein Regenbogen.

Das Geheimnis wird alles Alltägliche, Weltliche, Gewöhnliche und Triviale aus Ihnen herausbrennen. Ist es einmal in Sie hineingegangen, wird es Sie nicht mehr verlassen, es wird Sie für immer verändern.

Die Majestät des göttlichen Mysteriums.

Der Mensch auf diesem Weg ist ein unbegreifliches Geheimnis. Seine Art zu leben, seine Gedanken, seine Handlungen, alles ist an ihm ist ein Geheimnis, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so erscheint. Dieses Geheimnis liegt nicht im Äußeren, sondern im Inneren.

Dieses Geheimnis wird für immer seine Beziehung zur Welt, zu anderen Menschen und auch sich selbst gegenüber verändern.

Was Sie auch tun, wen Sie auch lieben, dieses Geheimnis wird immer stillschweigend dazwischen stehen. Und Sie werden verstehen, dass es nun wichtiger ist als alles andere.

Denn das Geheimnis ist Gott.

Der Mensch auf diesem Weg hat keine gewöhnlichen Interessen, Ziele, Passionen oder Anhaftungen, er hat sein Geheimnis.

Der Mensch auf diesem Wege hat keine Freunde, Feinde, Verwandten oder Geliebten, er hat sein Geheimnis. Der Mensch des Weges hat keine Emotionen an sich, keine Wertungen, Ideen oder Meinungen, er hat sein Geheimnis.

Außerhalb des Verstandes


„Nur wenn einer die Wurzel des Gemüts mit der Waffe des Nicht-Konzeptualisierens durchtrennt, kann er das absolute Brahman erlangen, welches allgegenwärtiger höchster Friede ist. Die Konzeptualisierung oder Einbildung ist die Quelle von Irrtum und Leid; und man kann sie leicht durch Selbsterkenntnis loszuwerden.“

Yoga Vasishtha

Kap. 3.111, „Die Geschichte von Lavana“

Der Verstand gibt dem Menschen Klarheit, Schutz und Struktur, hilft ihm, während des Evolutionskampfes zu überleben, nimmt ihm aber das Wertvollste weg, das Erleben des Magischen und des Paradoxen dieser Welt, das Empfinden von Ewigkeit und Unendlichkeit.

Das ist ein sehr hoher Preis für seine Benutzung. Deswegen sind alle Menschen von ihrem Verstand versklavt. Nur ein Jnani weiß, wie er den Verstand benutzen kann, ohne sich von ihm unterwerfen zu lassen.

Der Jnani in mir sagt: „Ich bin kein Mensch des Verstandes, ich bin ein Jnani.“ Das bedeutet, jenseits der Logik zu sein, jenseits von Schablonen, jenseits jeglicher Regeln, Schemen, Traditionen, Dogmen, Postulaten und Gesetzen der Existenz.

Es ist jedoch nicht so, als würde ich sie hassen oder mit ihnen kämpfen. Ich befinde mich jenseits von ihnen, so wie die Sonne jenseits der menschlichen Geschichte voller Kriege, Naturkatastrophen, Widersprüche und Zusammenstöße steht.

Als eins mit dem Absoluten ist der Jnani sich selbst Regel, Standard, Quelle der Tradition, Schöpfer der Dogmen, Erschaffer der Postulate. Er ist sein eigenes Gesetz des Daseins, genau in dem Maße, wie er sich mit dem Absoluten identifiziert.

Alle Inhalte, Werte und Handlungen der Menschheit hängen vom Verstand ab, werden von ihm gesteuert, gehen aus dem Verstand hervor und basieren auf der Logik, den Begriffen und Gesetzen des Verstandes.

Ein Jnani hingegen lebt im Sein jenseits des Verstandes. Er ist nicht logisch, sondern irrational: erschreckend und bis zum Wahn unlogisch, nicht rational bis zur Lachhaftigkeit. Er sieht die Welt als ein nicht endendes Theaterstück des Absurden an, als ein Happening, als surreales Schauspiel ohne Inhalt und Ziel.

Da ist einfach nur ein Spiel, und er beobachtet es lediglich, um manchmal mitzuspielen, wie ein alter Mann, der auch mal mit den Kindern zusammenspielen will.

Die menschliche Wahrnehmung, die auf mentalen Überlegungen, Begriffen und Bewertungen basiert, ist dem Jnani nicht fremd, denn er ist selbst als Mensch geboren, er kennt sie gut und kann sie benutzen, wann immer er will, aber er hält sie für ein kindliches Spiel, eine Illusion, weil sie vom Verstand herkommt.

Und der Verstand ist ein Traum des Bewusstseins und auch eine Zelle im Gefängnis der Unwissenheit. Denn genau dieser Verstand zwingt uns, unsere unendliche Natur zu vergessen und zu leiden.

Der Verstand verbirgt das Licht der inneren Sonne vor uns. Er läßt uns dem Zauber falscher Inhalte verfallen, falschen Werten und Lebenszielen.

Für einen Jnani, der in sich den Raum der Freiheit jenseits des Verstandes erschlossen hat, ist so etwas unzulässig.

Ein Jnani ist bereit, vieles zu opfern, aber nie die innere Freiheit, die Freiheit von den Begrifflichkeiten des Verstandes, von dessen Konzepten.

Alle menschlichen, dualistischen Gespräche, Gedanken, Ziele, Werte stellen für ihn nicht mehr dar als ein Spiel der Illusionen im Spiegel des Geistes, als ein bedeutungsloser Traum, ein Theater des Absurden.

Sie haben nur Sinn als Spiel, nicht aber als Realität. Ein Jnani erkennt den Verstand sowie dessen Realität und Begriffe nur im Kontext des Spiels an. Dem Verstand jedoch Wirklichkeit und Echtheit zuzuschreiben, würde bedeuten, Jnana zu verlieren, und das kann sich ein Jnani nicht erlauben.

Ein Jnani gelangt jenseits von Verstand, Konzepte, Logik und Rationalität, er findet die Ewigkeit. Und die Unendlichkeit. Er nimmt wahr, dass Ewigkeit und Unendlichkeit immer bestanden, aber der Verstand sie vor ihm versteckt hatte, so wie ein Augenlid, obwohl es so klein ist, den weiten Himmel oder die Sonne vor den Augen verstecken kann.

Jenseits ist der Jnani, jenseits von Gedanken, Worten, Beschreibungen, Bestimmungen, Standards und Normen, jenseits von kulturellen und spirituellen Traditionen.

Auf ihn wirkt all das wie das Sprechen eines Wahnsinnigen, eines Schlafenden im Traum. Worte drücken seinen Zustand nicht aus und Logik verhüllt seinen Zustand. Dieser ist unbegreiflich. Er ist nicht ausdrückbar. Der Verstand ist hier tatsächlich überflüssig. Das ist … Und das ist alles.

Verstandesmenschen halten sich selbst für klug, aber für einen Jnani sind sie wie Wahnsinnige, die sich vergessen, oder Blinde, die sich verlaufen haben.

Umgekehrt wirkt ein Jnani, der außerhalb des Verstandes lebt, auf andere Menschen unverständlich, denn er ist der einzige Vernünftige in der ganzen Welt. Selbst Wissenschaftler und Philosophen, die Traktate über das Vedanta schreiben, verfügen nicht über wirkliches Wissen. Wissen hat nur ein Jnani.

Er denkt nicht an die Realität und spricht nicht über sie. Er ist Realität. Verstand und Worte spielen dabei keine Rolle. Er kann logisch und überzeugend reden. Er kann schweigen, beten, mit Gott sprechen, Blödsinn reden, lügen, elegante logische Debatten wie ein Wissenschaftler führen, sich als Anhänger von Logik, Philosophie und Tradition positionieren, sich wie ein Wahnsinniger benehmen, aber all das ist nur ein Spiel.

All nichts davon hat irgendeine Bedeutung für einen Jnani. Denn dies alles kommt vom Verstand. Und dieser Verstand ist lediglich ein Traum des Bewusstseins im Netz aus Unwissenheit.

Ein Jnani weiß: Nichts kann man ausdrücken. Nichts kann man sagen. Es gibt nichts Echtes. Es gibt auch nichts Unechtes. Es gibt überhaupt nichts. Es gibt überhaupt niemanden. Es gibt keinen, dem man wenigstens ein Wort sagen könnte. Das sind alles Träume, Illusionen, falsche Widerspiegelungen im Spiegel des Bewusstseins. Aber sie kommen auf wundersame Art grenzenlos zum Ausdruck.

Jnanis, die das verstehen, beteiligen sich an den Spielen der göttlichen Narren, der Avadhutas. Einige wirken wie gewöhnliche, logikgläubige Menschen, andere wie Wissenschaftler oder Philosophen, manche wie Königen, noch andere wie Arme.

Aber das Äußere, die Worte und die Handlungen eines Jnanis sollen die anderen nicht täuschen. Der Jnani selbst steht außerhalb von alldem. Der Jnani befindet sich jenseits des Verstandes.

Ein Jnani ruft den Menschen zu: „Halten Sie das nicht für eine Nebensächlichkeit! Suchen Sie das eine Bewusstsein jenseits des Verstandes und Sie werden Gott finden! Suchen Sie Gott jenseits des Verstandes, denn das ist der direkteste Weg!“

Alle Menschen suchen Gott, machen sich mit Hilfe von Worten, Begriffen und Konzepten ein Bild von Ihm, sie schließen Ihn ein in ihre Theorien, Namen und Formen.

Ein Jnani hingegen sucht nicht nach einem solchen Gott, wie ihn alle anderen Menschen suchen. Gott als Resultat von Verstand und Konzepten muss für den Jnani eine banale Illusion bleiben. Sein Gott ist jenseits von Worten und Begriffen. Er glaubt nicht an das Wort Gottes, an Theorien über Gott, an einen Namen Gottes und an eine Form Gottes, er lehnt sie aber auch nicht ab, weil eine solche Ablehnung indirekt bereits eine Anerkennung der Wichtigkeit des Abzulehnenden bedeuten würde.

Er sieht in ihnen Widerspiegelungen, illusorische Abbilder, Surrogate, Symbole Gottes, nicht mehr. Sein Gott ist nicht der Verstand. Sein Gott ist die Bewusstheit jenseits des Verstandes, das Sein jenseits der Begriffe, vor den Worten, vor der Geburt des Geistes, vor der Zeit, vor der Schöpfung.

Wie lebt ein Jnani jenseits des Verstandes?

Er handelt und denkt nicht, er verweilt jenseits des Verstandes.

Er schaut nicht, er sieht. Er denkt nicht, er ist bewusst.

Er befindet sich stets jenseits der Widerspiegelungen des Verstandes im Spiegel der reinen Bewusstheit.

Das Bewusstsein gleicht einem Spiegel, die Gedanken und Begriffe gleichen den Widerspiegelungen darin. Alle Menschen lassen sich von den Reflexionen im Spiegel verzaubern und halten sie für die Realität. Und nur der Jnani ist in der Lage, den Spiegel selbst zu sehen, seine transparente Oberfläche, die alle Widerspiegelungen beinhaltet. Sämtliche Reflexionen sind für ihn nicht real, wirklich ist nur der Spiegel selbst.

Ein Jnani kann schweigen, reden, auch wahnsinniges Zeug, aber um sein Wissen beneiden ihn die besten Gelehrten und Weisen.

Er kann wie ein Mensch der Welt, wie ein seltsamer Philosoph, ein Händler oder ein Clown sprechen, aber sein Bewusstsein erreicht beliebige Ziele. Er kann unlogisch erscheinen, aber nach seinem Geheiß können sich die Gesetze des Universums verändern.

Für Menschen im Samsara existieren niedrig und hoch, angenehm und schlecht; für einen Jnani gibt es solche Begriffe jedoch nicht, sein Verstand ist frei und grenzenlos wie der Himmel. Für einen durch seinen Verstand begrenzten Schlafenden gibt es ich und du, Wahrheit und Lüge, dies und das, gut und böse, für den Jnani existieren solche Begriffe nicht, er befindet sich immer im Ozean des reinen Zustandes des Bewusstseins.

Er lacht nur gutmütig über menschliche Versuche, die absolute Realität zu begreifen, zu verstehen, zu beschreiben und sie sich mit Hilfe der Begriffe des Verstandes unterzuordnen.

Das Licht einer Lampe kann die Sonne nicht erhellen, eine Ameise kann den Berg nicht wegschieben, eine Mücke kann Garuda, den König der Vögel, nicht besiegen.

Logik, Ethik, Moral, Philosophie, Geschichte, die unzähligen Wissenschaften – sie alle gehören zum Verstand. Das ist Samsara, eine Form der Unwissenheit. Ein Jnani ist frei davon, er lebt glücklich jenseits des Verstandes, er hat etwas von einem Kind. Keine Regeln, Worte, Theorien und Begriffe des Verstandes können einen Jnani beherrschen, denn er nimmt die Welt mit den Augen des Samadhis wahr. Deswegen ist der Jnani Schöpfer und Herr der Realität. Denn er und die Realität sind eins.

„Ich bin Brahman“
Das Lebensgefühl eines Jnanis


„Daher, da du nun erwacht bist, erkläre ich dir die Wahrheit. Du bist Brahman, ich bin Brahman, das gesamte Universum ist Brahman. Was auch immer du tust – realisiere stets diese Wahrheit.“

Yoga Vasishtha

Kap. 6.1.49, „Die Geschichte vom Fels“

Es ist schwer zu beschreiben, wie sich ein Jnani fühlt, und dieses Empfinden jemandem wiederzugeben, der kein Jnani ist. Obwohl ein Jnani einen menschlichen Körper hat, ist dies nur die äußere Sicht, sein Geist ist mit dem Absoluten identifiziert, dem höchsten Sein, das Sat-Cit-Ananda ist.

Ein Jnani fühlt sich als das Absolute. Er ist Zentrum der Schöpfung, aus sich selbst heraus existent, ewig, unergründlich, unendlich, allgegenwärtig, allesdurchdringend, allwissend, allmächtig. Er ist höchster Zustand, höchster Geist, aus sich selbst heraus existierende Leerheit. Er ist durch nichts beeinträchtigt, sondern ganz natürlich vollkommen und rein. Er befindet sich in vollständiger Freiheit und unendlicher Glückseligkeit. Er ist Brahman im Körper, er selbst ist Alles.

Die Tatsache, einen menschlichen Körper zu haben, bedeutet, dass der Jnani, obwohl er das Absolute ist, diesen menschlichen Körper verwendet, sich als Schöpfer, Besitzer und Nutzer in ihm befindet. Den Körper eines Menschen so als das Absolute einzusetzen oder ein Mensch der gewöhnlichen Welt zu sein – das sind ganz verschiedene Dinge.

Ein Mensch in der gewöhnlichen Welt ist konditioniert durch seine Umgebung, durch den Körper, den Verstand, das Ego und seine Sichtweise. Ein Jnani ist dadurch nicht bedingt. Ein Jnani erkennt sich in der Tiefe der Seele als Brahman, er zweifelt keine Sekunde daran. Er ist rein, leuchtend, prachtvoll, frei von Eigenschaften, ewig und voller Licht. Er gleicht dem Raum ohne Eigenschaften, Grenzen und Zentrum.

Ein Jnani fühlt sich als Gott, aber ohne die Begriffe Ich und „Gott“. Er ist sich seiner selbst als höchste Quelle bewusst, ohne einen Begriff über die höchste Quelle zu haben.

Ein Jnani ist das Zentrum seiner Welt, deren Wurzel, Grundlage, der Grund alles Seins, die Quelle aller Inhalte. Ein Jnani ist Quelle von Zeit, Raum, kosmischen Kräften und Elementen. Im Jnani existieren Universen, in denen Devas, Asuras, Menschen, Geister und Dämonen leben. In ihm bestehen Tausende Berge Meru, Millionen reiner Länder, Paradiese, in denen Himmelsbewohner leben, und andere Welten.

Der Jnani ist in jedem Atom, in jedem Staubkorn in diesem und in anderen Universen, in jeder Millisekunde an Zeit, in jedem Stern, in jedem Grashalm, Vogel, Insekt, Baum, Menschen, Geist und göttlichem Wesen.

Es gibt nichts, was einem Jnani nicht bekannt wäre, obwohl dieses Wissen sich nicht auf die Nebensächlichkeiten des menschlichen Lebens erstreckt.

Es gibt kein Wesen, mit dem ein Jnani nicht eins wäre. Es gibt keinen Platz im Universum, der nicht Teil seines Ichs wäre. Sein Ich ist ewig, voller Glück und Freiheit, unzerstörbar, unendlich, unbegrenzt, unbeschreiblich, unbestimmt, wie ein unfassbar subtiler Raum.

So lebt und empfindet sich ein Jnani:

Ich bin rein und vollkommen, durch nichts beeinträchtigt, kein Schmutz kann mich berühren.

Ich bin Brahman, ich und Brahman sind eins. Es gibt nur Brahman. Er und ich sind eins, es gibt keinen Gedanken über die Einheit.

Alles ist eines.

Einer.

Eines.

Ich.


Alles ist das Absolute.

Es gibt nur das Absolute.

Das Absolute ist mein Ich.

Das Absolute ist.

Absolut.

Absolutes Sein.


Ich bin das Absolute.

Das Absolute ist.

Absolut.


Ich bin das Absolute.

Ich bin.

Ist.

Ich.

Reine Sicht

„Das unreine Gemüt sieht dort ein Gespenst, wo nur ein Pfahl ist. …

Das unrein mit Tendenzen beladene Gemüt ist die Ursache der Täuschungen. Man sollte danach streben, sie zu entwurzeln und abzutun.“

Yoga Vasishtha

Kap. 3.110, „Die Geschichte von Lavana“

Menschen im Zustand der Unwissenheit weisen aufgrund früherer Tendenzen und in unterschiedlichem Ausmaß eine unreine Sichtweise auf. Diese Art von Sicht differenziert nach gut und böse, und genau diese Unterteilung macht das sogenannte Böse überhaupt erst zum Bösen. In seiner absoluten Bedeutung ist es bereits eine unreine Sicht, auch nur anzunehmen, dass sich jemand in Unwissenheit befindet; denn auch das ist selbst eine Form von Unwissenheit.

Redet daher ein Jnani über irgendwelche Sichtweisen als rein oder unrein, so muss man eine derartige Unterscheidung als eine künstliche ansehen, die lediglich zur Erläuterung für Andere benutzt wird.

Die reine Sicht ist dem Jnani ganz natürlich zu eigen, so wie das Geräusch der Wellen dem Ozean, das Licht der Sonne und die Frische dem Wind.

Das ist die Erweiterung des göttlichen Würde eines Jnanis. Der Jnani sieht die Welt immer als rein und heilig an. Im ganzen Universum gibt es nicht mal ein kleines Teilchen, Staubkorn oder Atom, das ein Jnani als unrein betrachten würde, und damit nicht als göttlich.

Der Jnani nimmt dies so wahr, weil er in der Dimension der reinen Sicht wie in einem Spiel lebt, im Mandala des Höchsten, des Absoluten. Alles aus dieser Dimension wird als heilig, rein und vollkommen angesehen, als dem Grunde nach vollständig göttlich.

Vom Standpunkt des Jnanis aus existieren nirgends Hässlichkeit, Fehler, Schmutz und Unvollkommenheit. Alles ist ursprünglich, heilig, rein, spontan, von sich aus seiner Natur nach heil und vollkommen. Selbstverständlich können die physischen Augen eines Jnanis ihn umgebende Defizite, Schmutz oder Unvollkommenheit erkennen, aber das alles betrachtet ein Jnani als an sich vollkommen.

Auf einer Insel, die vollkommen aus Gold besteht, kann man kein Stäubchen Schmutz finden; da es in der Dimension eines Jnanis nichts Unreines gibt, ist alles immer rein. Bereits hier auf dieser Erde im gewöhnlichen Körper aus Fleisch und Blut lebt ein Jnani wie im Himmel.

Die Welt sieht für den Jnani anders aus als für gewöhnliche Menschen. Die Welt ist für ihn ein Mandala, ein sakraler Raum göttlicher Wesen. In diesem Mandala ereignet sich nichts Gewöhnliches, weltliches; in einem solchen Raum geschehen nur Mysterien, Liturgien und Spiele des Absoluten.

Jede Handlung hier ist ein göttliches Spiel, ein Darshan , eine Initiation, eine rituelle Anrufung und Darbietung. Jeder Ton, jedes Wort, jede Einatmung und jedes Geräusch, sie sind heilige Silben, Mantras, rituelle Gesänge, dem Göttlichen gewidmet, dessen Ruhm und Größe besingend. In diesem Mandala gibt es keine gewöhnlichen Wesen, keine Menschen oder Tiere, es gibt nur göttliche Wesen mit ihren einzigartigen Eigenschaften und Spielen.

In der Dimension der reinen Sicht ist alles zauberhaft, selbst Steine. Jede Handlung hat eine sakrale Bedeutung, jeder Blick, jedes Lächeln und jedes Wort stellt einen Darshan dar oder ist eine Einweihung. Das Tropfen des Regens, das Wehen des Windes, das Rauschen der Blätter, die Strahlen der Sonne und ihre Berührung sind Segnungen, Übertragungen der Lehre, geheime Initiationen.

Schaut ein Jnani seinen Lehrer, sieht er in ihm Vishnu oder Brihaspati , die durch ihn handeln. Nimmt er einen Asketen wahr, sieht der Jnani Shiva selbst in Meditation. Im Körper eines Arbeiters, der einen Tempel baut, erschaut er Vishvakarma selbst, in der Gestalt eines Königs oder Statthalters erkennt er Indra, den König der Devas.

Beobachtet er verliebte Paare, die Händchen halten, sieht er in ihnen Radha und Krishna, Rama und Sita . In einem Krieger sieht er Skanda, Kartikeya, den Deva des Krieges. Ist da eine Kurtisane, die mit ihrem Körper auf sich aufmerksam machen möchte, erblickt er eine himmlische Apsara in ihr, eine Tänzerin aus dem Palast Indras oder sogar die Große Mutter selbst, Adishakti , obwohl er vorzieht, zu diesen Energien Distanz zu wahren.

Sieht er eine Mutter sich um ihre Kinder kümmern, schaut er die mitfühlende Tara, die ihren Kindern auf diese Weise ihr Darshan gibt.

Wenn er ein Schlachtfeld sieht, erkennt er auf ihm einen Altar für die Opferung der erschütternden Kraft an Kali und ein Spiel zornvoller göttlicher Wesen, ihrer Begleiter; wenn heroische Krieger mutig kämpfen und sich aufopfern, sieht er die erleuchteten Helden des Mahabharata in ihren Körpern und Kanälen spielen, Arjuna, Drohna, Bhima und Karna.

Ein Musiker, der in der Stadt in einer Unterführung spielt, wird von ihm als Gandharva gesehen, die Musik als ein Ritual der Opferung an Saraswati.

Eine alte mittellose Frau wird zu Dhumavati , die eine Belehrung über das Abschneiden des Egos, über Anhaftungen und Hoffnungen erteilt, obwohl der Jnani versteht, dass nicht jeder bereit ist, ihren Darshan in dieser Tiefe zu empfangen.

Erblickt er einen erfolgreichen Geschäftsmann, der einen Empfang veranstaltet, einen begabten Anführer oder einen berühmten Schauspieler, erkennt er die leuchtende Lakshmi in ihm.

Durch den Körper des Schullehlers erscheint ihm die schöne Sarasvati um die Menschen zu erleuchten. Wenn er einen Reichen oder einen Bankier sieht, verehrt er in ihm den Beschützer Kuvera, den Herrscher aller Reichtümer. Sind da Wachmänner, sieht er Lokapalas in ihnen, Beschützer der Orte und der Himmelsrichtungen.

Sieht er einen Arzt, beobachtet er, wie die göttlichen Ashvin-Zwillinge oder Rishi Dhanvantari durch seinen Körper handeln und dem Kranken ihre heilenden Kräfte schicken.

In einer Möwe sieht der Jnani den mächtigen Garuda, den König aller Vögel. In einer Schlange erkennt er den König der Nagas. Wenn er einen vereinzelten Baum sieht, der einsam im Feld steht, sieht er ihn als Kalpavriksha, den mystischen, wunscherfüllenden göttlichen Baum.

In einem Brotverkäufer verehrt er die Göttin Annapurna, die Gewährerin der Nahrung.

Für ihn ist jede Kuh eine wunscherfüllende mystische Surabha oder Kamadhena, und jeder Stier ist der heiliger Nandi , jeder Elefant der weise Ganesha , jeder Affe der ergebene Hanuman . Jeder Mensch, ob Mann, Frau oder Kind ist ein göttliches Wesen, das seine unbegreiflichen Spiele vollzieht. Schaut er auf einen Grashalm, sieht er darin den Körper einer Fee, der Beschützerin aller Wälder und Pflanzen. Jeder Stein für ihn ist mystischer Chintamani, jeder Ozean ist voller Nektar, jeder Berg ist ein gesegneter goldener Meru.

Jedes Haus, jeder Berg, eine Hütte und auch ein Wald sind Paläste göttlicher Wesen.

Diese reine Sichtweise ist ganz natürlich für einen Jnani, genauso wie ein Sehender die Welt ganz selbstverständlich in Farbe sieht. Dieser Sicht ist weder erdacht noch künstlich fabriziert. Es ist die Sicht der Welt, so wie sie ist.

Die Welt ist ihrem Wesen nach göttlich und daran kann man nichts verändern. Es ist unerheblich, ob wir dies wissen oder nicht, ob es uns gefällt oder nicht. Man muss es als gegeben hinnehmen. Es ist so, weil es so ist. Es gibt keine Erklärung dafür, das kann man nicht erklären, aber man kann es erleben. Und man muss es erleben. Der Mensch in Samsara leidet nur deswegen, weil er es nicht erlebt, nicht daran denkt und darüber nichts weiß.

Ein Jnani weiß, sieht, versteht, fühlt und akzeptiert dies mit seinem ganzen Herzen. Er sieht, wie viele Menschen um ihn herum wegen ihrer unreinen Sichteise leiden, nur weil sie in der Tiefe ihres Herzens die göttliche, sakrale Natur der Welt nicht akzeptieren, sondern zurückweisen.

Selbst gewöhnliche, schmutzige, erschreckende und auf andere Menschen abstoßend wirkende Dinge erkennt ein Jnani als heilig und rein, obwohl er versteht, dass die Art der Energie solcher Dinge bei weitem nicht jedermanns Geschmack ist. Die Kraft dazu entsteht durch die Fähigkeit zum Samyoga , zur Unterhaltung des Gleichgewichts zwischen dem Bewusstsein und der Energie, zwischen der kosmischen Ordnung und dem universellem Chaos.

Der eine und einzige Geschmack


„Weder jubelt er, wenn seine Bemühungen Früchte tragen, noch klagt er, falls nicht. …

Er ist nicht überrascht, wenn der Mond heiß oder die Sonne kalt scheinen sollten.“

Yoga Vasishtha

Kap. 5.77, „Die Geschichte von Bhasa und Vilasa“

Für einen Jnani ist alles eins, gleich, denn er macht keinen Unterschied zwischen

Subjekt und Objekt,

Vergangenheit und Zukunft,

ich und sie,

Gedanken und Gedankenlosigkeit,

gut und böse,

angenehm und unangenehm,

Wahrheit und Lüge,

Befreiung und Bindung,

Freude und Unglück,

Inneres und Äußeres,

Samsara und Nirvana,

Erwachen und Unwissenheit,

Geburt und Tod.


Für ihn ist alles eins. Ein Jnani hat der menschlichen Sicht der Welt, die auf Dualität basiert, entsagt. Er hat jedoch auch der göttlichen Sicht entsagt, obwohl es nicht einfach ist. Er hat selbst der Entsagung entsagt.

Er befindet sich in der nondualistischen Realität (Samarasya), in der es keine Trennung gibt, in der alles einen einzigen Geschmack hat.

Dieser Zustand ist das reine Bewusstsein ohne ich, du, oben, unten, innen, außen, Vergangenheit, Zukunft, Subjekt, Objekt und ohne irgendeine dualistische Kategorie. In ihm gibt es keine Geburt, kein Leben, keinen Tod, nicht Schlechtes, nichts Gutes, denn all diese Begriffe sind menschlich, bewertend und damit illusionär.

Der Jnani ist in den Raum der Bewusstheit vertieft, in dem alles verschmolzen ist, zu einem, dort ist alles gleich, und alles ist gleich unwichtig und gleich wichtig.

In diesem Raum ist alles göttlich, rein und vollkommen. Deswegen lebt ein Jnani, indem er alles annimmt, nichts ablehnt, aber sich auch an nichts bindet. Er nimmt die hellen, reinen, göttlichen und freudigen Seiten dieser Welt als friedvolle Spiele des Absoluten wahr. Er versteht gleichwohl auch die groben, hässlichen, trüben und unreinen Aspekte als zornvolle Spiele des reinen Bewusstseins und betrachtet sie als völlig rein und vollkommen.

Er selbst ist immer rein, und entsagt, weil er jenseits von dem einen wie dem anderen ist. Seine Reinheit ist so groß, dass ihn nichts verwirren, erstaunen, betrüben und beflecken kann. Er ist rein, selbst wenn er mitten im Dreck steht, denn der Geist eines Jnani ist wie ein Lotos, der aus dem Schlamm herauswächst. In den gewöhnlichen, groben und selbst den niedrigen Dingen dieser Welt sieht ein Jnani das Spiel des Göttlichen, das Heilige, das Reine, das Erhebende. Für einen Jnani gibt es keine Sünde im Sinne der menschlichen Vorstellung davon, er steht auch transzendent in Bezug auf Verdienste, obwohl er im relativen Leben so handelt, dass er ein gutes Beispiel geben kann.

Für ihn gibt es weder Zorn, noch Gier, Stolz, Neid oder Begehren. Auch eine gewöhnliche Güte in der Art der menschlichen Rechtschaffenheit, Freundschaft und Anhaftung ist ihm nicht zu eigen, und vieles mehr ebenso nicht.

Ein Jnani kann diese Spiele mitspielen, bewahrt aber in der Tiefe seines Herzens seine Freiheit von ihnen. Für ihn ist alles eins. Er besitzt einen einzigartigen aber auch einzigen Geschmack. Zorn, Gier, Anhaftung, Stolz, Begehren erscheinen da genauso sakral und göttlich zu sein, wie Liebe, Mitgefühl, Opferbereitschaft, Rechtschaffenheit, Freundschaft, Pflicht, Ehre und so weiter.

Alles, was sich manifestiert, ist ein Spiel der Energien des Absoluten, mit denen ein Jnani eins ist. Man braucht jedoch nicht anzunehmen, dass dies für einen Jnani einfach nur Worte sind, oder – noch schlimmer – ein Versuch, die eigenen Betrübungen und Kleshas zu rechtfertigen. Ein Jnani ist ein echter Meister des Lebens und sieht die Wirklichkeit so, wie sie ist. Seine Sicht ist nicht durch falsche Begriffe und Wertungen aus der gewöhnlichen Welt betrübt. Er versteht: Wenn es in dieser Welt etwas Echtes, Reines, Richtiges und Gutes gibt, dann handelt es sich ausschließlich um die transzendentale Bewusstheit, welche die Begriffe echt, rein, richtig und so weiter übersteigt.

Und wenn etwas Schlechtes, Unreines auftritt, dann ist es die Unbewusstheit, das Fehlen von Bewusstheit, die zur Teilung führen, zur Dualität und zur Identifizierung mit solchen Begriffen. Alles andere ist eine Illusion, die im dualistischen, schlafenden Geist entsteht, als Resultat des falschen Verstehens der Realität. Bewusstheit ist die sich selbst organisierende innere Kraft des Universums. Sie ist die Energie der Ordnung, der Schönheit und der Klarheit. Die Unbewusstheit ist die Energie der Entropie, des Chaos, der Verwirrtheit. Diese zwei Kräfte agieren im Spiel von Bewusstsein und Energie, von Leerheit und Glückseligkeit, von Purusha und Prakriti, von Shiva und Shakti, des Unmanifestierten und des Manifestierten.

Ein Jnani lebt in der Balance zwischen diesen Kräften des Universums und kombiniert sie in der Sichtweise des einen und einzigen Geschmacks im reinen Raum des Samarasya. In der Dimension des einzigen Geschmacks lebend, hält er geschickt das Gleichgewicht (Samyoga) in Ansicht, Meditation, Körper, Verstand und soweit wie möglich auch in der äußeren Welt aufrecht.

Die Selbstaufgabe des Jnanis


„Das Gemüt gibt alles auf, sobald die Sichtweise des Höchsten erlangt wird. Daher sollte man entschlossen allem entsagen, bis man die höchste Sichtweise erlangt hat. Selbsterkenntnis wird nicht erlangt, bis man nicht allem entsagt hat – wenn sämtliche Gesichtspunkte aufgegeben worden sind, verbleibt nur das Selbst.“

Yoga Vasishtha

Kap. 5.58, „Die Geschichte von Suraghu“

Ein Jnani lebt in grenzenlosem Glauben in einer Dimension, in der es weder ein Objekt des Glaubens gibt, noch etwas, an das man glaubt; er lebt grenzenlose Selbsthingabe dort, wo niemand ist, dem man sich hingibt, und auch niemand, der sich hingibt.

Verstand, Gefühle und Körper des Jnanis gehören ihm nicht. Er selbst, alles in ihm, all sein Besitz, und das, woraus er auch immer besteht, das alles gehört Gott, dem Absoluten.

Er weiß, es gibt nur dieses Absolute, ihn hingegen gibt es als etwas Eigenständiges nicht. Selbst darüber zu sprechen, ist falsch, denn es gibt niemand, der etwas hören, und auch niemand, der etwas sagen würde.

Aber es passiert trotzdem.

Jeder Gedanke, jede Einatmung, jeder Blick und jeder hörbarer Ton, Wahrnehmungen, Gedanken, Gedächtnis und Körperbewegungen geschehen bei einem Jnani nicht aus sich selbst heraus, sondern als Spiel der höchsten Quelle, als Opferung an den Höchsten.

Nicht der Jnani genießt; in ihm, in seinem Körper genießt das Absolute. Nicht der Jnani erlebt; das Absolute selbst spielt und erlebt und nutzt dazu seinen Körper. Ein Jnani existiert eigenständig überhaupt nicht, analog dem Sohn einer unfruchtbaren Frau, dem gehörnten Hasen und der Schildkröte mit einem Fell. Das Absolute spielt im Jnani genauso wie in einem gewöhnlichen Menschen. Im Körper des gewöhnlichen Menschen und im Körper des Jnanis ist dies dasselbe. Aber im Körper eines Jnanis erkennt es sich selbst und die Illusion hat keine Macht über sein Bewusstsein.

Im Körper eines Ajnanis ist das nicht so. Das Absolute im Körper eines Ajnanis ist seiner Natur nach genauso rein, es erkennt sich aber nicht, seine Kraft und seine Pracht sind unterdrückt durch die äußere, es überlagernde Kraft der universellen Illusion (Maya-Shakti), seiner eigenen materiellen Energie.

Das ganze Leben stellt für einen Jnani einen ununterbrochenen Prozess der Selbsthingabe dar, eine Opfergabe an die höchste Quelle. Diese besteht aus dem Vorgang der maximalen Verehrung des Absoluten, die geschieht, indem meditative Präsenz auf den eigenen natürlichen Zustand ausrichtet wird.

Diese Verehrung erfordert keine Rituale und Gebete, keinе Widmung von Verdiensten, keine Anrufungen oder Mantras. Sie besteht aus dem Leben im natürlichen Zustand, wenn permanent das Erkennen der höchsten Quelle geschieht, also des Raumes der reinen Bewusstheit hinter allen äußeren Erlebnissen, wie dem Essen oder Gehen, dem Klang einer Stimme, allem Sichtbaren, Hörbaren, Denkbaren und Fühlbaren.

Der Jnani betrachtet die Natur des Ichs und lässt los, sich selbst, sein Ego und seinen Verstand, er entspannt sich, verbleibt in dieser Natur, bewegt sich spontan, ihrem Willen folgend. Dann wird sein Leben zum Schweben mit den Wolken, zum Fliegen mit dem Wind, zum Spaziergang auf dem Regenbogen und zum Fließen mit dem Fluss.

Ein Blick aus einer anderen Welt:
Menschen und Wesen durch die Augen eines Jnanis


„Bei allen Zwistigkeiten befindet er sich in der neutralen Position, empfindet aber stets Mitgefühl und Wertschätzung für alle. Er ist unbeeindruckt von der Welterscheinung. Wenn man ihn anspricht, antwortet er auf einfache und zweckmäßige Weise; wird er nicht angesprochen, ist er still. Er sucht nach nichts und hasst nichts. Daher ist er in diese Welt nicht verwickelt.“

Yoga Vasishtha

Kap. 5.18, „Die Geschichte von König Janaka“

Der Mensch der gewöhnlichen Welt verfügt nur über eine Sichtweise, eine Wahrnehmung der Realität, für einen Jnani ist dies nicht so. Er kann mit der Kraft der echten Absicht (Sat-Sankalpa) wählen, wie er die Welt sieht.

1.Die Sicht der vollständigen Gleichheit: Sarvam eva Brahman

Für einen echten Jnani gibt es in absoluter Anschauung keine anderen Menschen, es gibt nur ein Brahman, ein höchstes Wesen.

Deswegen sieht der Jnani dieses Wesen in anderen, ohne eine Andeutung in Richtung von Begrifflichkeiten wie „andere“ oder Ich zu haben. Es gibt keine anderen, denn alles, was ein Jnani sieht, ist eins mit dem Bewusstsein, und sein Bewusstsein ist untrennbar vom Absoluten.

Ein derartiger Weiser betrachtet einen König mit den gleichen Augen wie einen Armen, ein göttliches Wesen wie einen Dämon, einen Hund wie einen Menschen.

Er nimmt sie nur wahr als die eine höchste, alldurchdringende, absolute, göttliches Essenz, das Brahman, das viele Formen annimmt. Dieses isst mit allen Mündern, sieht mit allen Augen, empfindet Schmerz und Vergnügen mit allen Körpern, spielt mit sich selbst, sieht nichts um sich herum, was es nicht selbst wäre.

Diese Sichtweise von allem als ein Wesen, in dem keine Vielfalt besteht – keine Götter, keine Dämonen, keine Menschen, keine Geister, keine Erleuchteten, keine Betrübten, keine von Samsara Gebundenen, keine Befreiten – ist ein Merkmal eines echten Jnanis und des Erreichens des höchsten Zustandes der Nondualität.

2. Zwei wie eins:

Die Ansicht der unbegreiflichen gleichzeitigen Gleichheit und Verschiedenheit

In der reinen und wirklichen Sicht verankert, kann sich ein Jnani zur Unterscheidung alle anderen Sichtweisen niederer Ordnung erlauben. Dabei werden diese Sichten nicht im Widerspruch zu seiner Hauptanschauung stehen, dem Empfinden von Allem als dem Absoluten. So wie in dem großen Fußabdruck eines Elefanten viele kleine Tiere und Insekten Platz haben.

Ein Jnani kann sich spielerisch erlauben, die anderen als Teilchen des Absoluten zu sehen, die sich in unbegreiflicher Gleichheit mit dem Absoluten befinden und zur selben Zeit verschieden von ihm sind (Acintya-Bheda-Abheda-Tattva). Diese Sicht erscheint auf den ersten Blick eine niedrigere zu sein, aber sie gewährt dem Jnani die große Freude verschiedener Spiele in Gleichheit und Verschiedenheit, ohne dabei das zentrale Erleben zu verlieren, die völlige Identität mit dem Absoluten.

Bleibt in dem Prozess dieser beiden Erlebnisse (Gleichheit und Verschiedenheit) Samyoga (Gleichgewicht) gewahrt, dann steht diese Ansicht in ihrer Tiefe dem reinen Erleben der Einheit – Aham Brahmasmi – nicht nach.

Verschiebt sich aber das Gleichgewicht (Samyoga) von Gleichheit und Verschiedenheit in Richtung der Verschiedenheit, führt dies zum Verlust der Basisanschauung der Nondualität, zu einem Übergang zum Eternalismus sowie zum Vergessen der Leerheit des Absoluten.

Verlagert sich das Gleichgewicht in Richtung der Gleichheit, führt dies zu Nihilismus, zur Verneinung, zur Vertiefung in das Unmanifestierte, Eigenschaftslose, Leere (Avyakta), Absolute, und gleichzeitig zur Unfähigkeit, das Potenzial des Brahmans in sich als Manifestationen der unendlichen schöpferischen Kräfte – göttliche Freiheit, Wille, Macht und Kraft – zu erfahren.

3. Die reine Sichtweise

Manchmal kann der Jnani, wenn sich er dies wünscht, andere Menschen in reiner Sicht als Emanationen göttlicher Wesen wahrnehmen, als Devas. Dann verehrt er in den Körpern der Menschen das Göttliche, wundert sich über ihre Spiele und bewundert sie gleichzeitig. Er sieht, dass die Welt um ihn herum ein Mandala bildet, eine heilige Welt der reinen Dimension, in der jeder Mensch ein göttliches Wesen und jedes Haus ein Palast ist. Die Welt der reinen Sichtweise ist voller göttlichen Wesen, Paläste als Wohnstätten, Spiele, Segnungen und göttlicher Melodien.

Wohin ein Jnani auch geht, dann ist es ein Pilgerort, was immer er sieht, ist ein Darhan (Schau) der Gottheit, was er hört ist es eine segnende Melodie (Bhajan) und alles, was geschieht, ist ein Lila (Spiel).

So mit dem Göttlichen spielend bewegt sich Jnani in der Welt, beobachtet die unbegreiflichen Spiele der göttlichen Kräfte, die seinen Verstand in Verwunderung, Begeisterung, Erschauern und Vertiefung bringen, indem sie ihm die großen Geheimnisse der Welt eröffnen.

4. Die Sicht von allem als Illusion

Wenn er möchte, kann ein Jnani, ohne seine höchste Absicht aufzugeben, die ganze Welt und sämtliche Wesen, welche die Welt bewohnen, mit Augen eines Beobachters wahrnehmen, der alles als eine Illusion sieht, als einen Traum. Und dann nimmt er in den anderen nichts als leere Formen wahr, Widerspiegelungen, zauberhafte Illusionen, Träume, die aus seinem eigenen Verstand entstanden sind. Vertieft der Jnani sich in eine derartige Sichtweise, entsteht in ihm eine tiefe Entsagung, und er geht als gesichtsloser Wanderer durch die Welt und versucht, seine eigene Widerspiegelung in Myriaden ihn umgebender leerer Formen wahrzunehmen.

Diese Anschauung beseitigt jegliche Anhaftung an die Wirklichkeit dieser Welt, sämtliche Hoffnungen und Ängste, weil der Jnani dann versteht, dass außer seinem eigenen Ich nichts mehr sonst existiert.

5.Die Sicht der Welt als Ausdruck des Verstandes

Ein Jnani kann die Welt als Ausdruck von sich selbst, seines Bewusstseins, sehen. So wie ein Traum Ausdruck des Bewusstseins eines Schlafenden ist, so ist auch die äußere Welt Ausdruck des Bewusstseins des Jnanis.

Während er mit Verwunderung und Neugier die äußere Welt betrachtet, versteht ein Jnani, dass er eine Ausdrucksform seines Bewusstseins betrachtet. Er weiß, dass die Welt als Ganzes dem Komplex seiner Empfindungen entspricht; da sein Bewusstsein sich ständig verändert, sich bewegt, bewegt sich auch die äußere Welt und verändert sich. Der Jnani nimmt in den Anzeichen, die ihm die Welt schickt, wahr, dass sein Bewusstsein sich genau so zum Ausdruck bringt. Jedes Ereignis interpretiert der Jnani als von seinem eigenen Ich ausgehend: „Alles ist eins mit dem Bewusstsein.“ - „Alles, was sich zum Ausdruck bringt, bin ich.“ - „Alle Situationen sind Entfaltungen meiner Gedanken und Tendenzen.“ Von diesem Standpunkt aus durchwandert ein Jnani die Welt mit unendlicher Bewunderung und betrachtet in ihr das Universum seines Bewusstseins.

6. Die Sicht mit den Augen eines Menschen der gewöhnlichen Welt

Ebenso kann ein Jnani die Welt mit den Augen eines Menschen der gewöhnlichen Welt sehen, und dann gibt es für ihn gut und schlecht, klug und dumm, Freund und Feind, nah und fern, Sympathie und Antipathie etc. Während er die Welt so als Spiel betrachtet, teilt er mit den Menschen das Bild ihrer Wirklichkeit, erlebt mit ihnen Liebe, Anhaftung, Unwissenheit, Zorn, Freude und so weiter. Aber während dieses Erlebens vergisst er nicht, dass dies nicht mehr als das Spiel eines Schauspielers in einem Theaterstück ist. In der Tiefe seiner Seele hat er dieser Sicht entsagt, sie kann ihn nicht mehr bedingen.

Nimmt ein Jnani eine solch gewöhnliche Sicht zu seiner Unterhaltung an, lacht er über diese Sicht, so wie ein Schauspieler, der eine Rolle im Theaterstück hat, den Helden belächelt, den er spielt.

Alle diese niedrigeren Sichtweisen kann ein Jnani in jedem Augenblick seines Lebens annehmen, nach seinen Wünschen, Plänen, Ort, Zeit und Umständen. Aber diese Anschauungen blenden nie die höchste Sicht des Jnanis aus, die bleibt auf das Absolute gerichtet: Alles ist Brahman. Ich bin Brahman.

Die göttliche Freiheit eines Jnanis


„Die Bindung besteht in der Bindung an Gedanken und Vorstellungen dieser Art – die Befreiung ist die Freiheit davon. Gib daher alle Vorstellungen auf, sogar die der Befreiung.“

Yoga Vasishtha

Kap. 4.57, „Die Geschichte von Dashura“

Sobald er Brahman erfährt, verändert diese Erleuchtung das Leben eines Jnanis radikal. Nichts kann so bleiben wie früher für jemanden, aus dem Schlaf der Illusion erwacht ist. Alle Vorstellungen, so wertvoll sie in der gewohnten Welt bislang waren, verschwinden wie Rauch, wenn ein Jnani seine Natur erkennt.

Dann verwirft er alle Anschauungen, alle Kleshas, Anhaftungen und Identifikationen mit Umgebung, Kultur, Nation, mit allen Welten, sogar mit dem Sein selbst und springt hinaus in die Freiheit. Diese Freiheit schenkt ihm das Wissen, denn er wird zu einem, der Wissen erhalten hat, eben zu einem Jnani.

Dieses Wissen schenkt ihm nun die unbeschreibliche Freiheit (Svatantrya-Shakti), jenseits aller Begrenzungen zu sein, jenseits der Gesetze der dualen Welt mit ihren Inhalten und Werten. Nichts aus der Welt der Illusionen ist jetzt noch wichtig, nichts hat mehr Bedeutung für ihn, oder ist so, wie es früher einmal war. Jetzt ist alles anders. Das alte Leben im Schlaf ist abgeschlossen, das Leben als Erwachter in der Freiheit beginnt gerade erst.

Der Jnani sucht selber aus und erschafft für sich Inhalte, er bestimmt selbst, was eine Bedeutung hat und was nicht in seiner Interpritation des Universums, indem er versteht, dass nichts außer dem Absoluten eine ursprüngliche Bedeutung hat.

Das Absolute ist die Urquelle aller Bedeutungen, aber das Absolute selbst befindet sich jenseits jeder Deutung.

Der Jnani bestimmt jetzt selbst, was in dieser Welt wertvoll ist und was nicht, denn er versteht, dass nur das Brahman tatsächlichen Wert hat, während alles andere abgeleitete Bedingtheiten sind. Nun bestimmt der Jnani selbst die Ziele des Seins, der Evolution, des Lebens der Wesen im ganzen Universum, wissend, dass die Existenz an sich ziellos ist. Der Jnani versteht, dass Wissen – nur Wissen und nichts anderes – eine unendliche Freiheit verleiht. Das Wissen vom Selbst.

Das Wissen vom Absoluten.

Ist dieses Wissen erlangt und die Identität mit dem Absoluten erreicht, entsteht die Freiheit ganz natürlich, denn was könnte das Absolute begrenzen? Wer kann über eine vollständigere und höhere Freiheit verfügen als das Absolute? Diese Freiheit erweckt im Jnani die Bewusstheit der Verantwortung für seine Wahl. Ab jetzt ist er alleine im ganzen Universum und es gibt niemanden über ihm, der ihm zeigen könnte, wie er leben soll. Alle Wege, alle Entscheidungen sind seine. Wie er beschließt, so wird es auch sein. Alles, was er ausdenkt, das wird geschehen.

Es gibt niemanden mehr, an den er seine Gebete richten kann, außer dem Ich, niemanden, auf den er hoffen kann, außer dem Absoluten im Inneren, niemanden, auf den er die Verantwortung abwälzen könnte. Denn der Jnani ist das Absolute selbst und es gibt niemand anderen. Die Freiheit führt zur Möglichkeit, den eigenen Willen ohne Hindernisse zum Ausdruck zu bringen.

Schöpferisches Chaos und kosmische Ordnung:
die Welt der Wahrscheinlichkeiten


„Wegen der Unendlichkeit und der Allmacht des Bewusstseins wird diese kosmische Ordnung als erfüllt von Intelligenz gesehen. Eine momentane Bewegung innerhalb des Bewusstseins wird von diesem betrachtet als „dies ist die Schöpfung“. Gibt es dann eine weitere momentane Bewegung von Energie im Bewusstsein, betrachtet dieses es als „dies ist eine Epoche“. Weitere Bewegungen von dieser Art der Energie im Bewusstsein werden als Zeit, Tätigkeit, Raum, Substanz und so weiter bezeichnet. Sogar die Form, das Sehen und der Gedanke betreffend all dies sind nur Bewegungen von Energie, die aus eigenem Antrieb im Bewusstsein, das formlos ist, auftaucht. Was auch immer so auftaucht, nennt man die Eigenschaften der betreffenden Substanz und dies wurde dann als die kosmische Ordnung bekannt. In ihrem Wesen sind ein Augenblick und eine Epoche ähnliche Bewegungen der Energie im unendlichen Bewusstsein. …

In dieser Welterscheinung sind die Eigenschaften der verschiedenen Objekte selbst verschieden. In Wirklichkeit jedoch wurden sie alle nicht als diese Objekte erschaffen. Nur das unendliche Bewusstsein erscheint als all dies. Die Art und Weise, in der diese Dinge solange zu existieren scheinen, nennt man die Natur oder die kosmische Ordnung, Niyati.“

Yoga Vasishtha

Kap. 6.2.187, „Die Geschichte von Kundadanta“

Ein erleuchteter Jnani lebt nicht in einer gewöhnlichen Welt, sondern in einer Dimension, die das ganze Universum in der Form eines Samens enthält, in einem unkonkretisierten, nur in der Form von Wahrscheinlichkeiten ausdrückbarem, noch unbestimmten Quantenzustand des Anfangs oder des Endes des Universums, was beides dasselbe ist.

Das ist die Welt der ersten Ursache und der Ursachen von allem. Eine Welt, in der alles noch im Entstehen ist, die lediglich als Potenzial und unmanifestierte Möglichkeit existiert, als zukünftige Manifestation. Ein Jnani lebt in dieser Dimension, in der das Universum noch nicht geboren wurde, die Zeit ihren Gang noch nicht angetreten hat, der Raum seine Metrik noch nicht erfahren hat, in der die Konstanten und die Gesetze der Physik noch nicht festgelegt sind, noch ungeformt sind, in der es nur Ursachen gibt, jedoch noch keine Wirkungen.

In dieser Welt ist alles möglich, in ihr werden in jedem Moment Universen erschaffen und zerstört wie Blasen auf dem Wasser, neue Schöpfergötter werden geboren und lösen sich auf, die Zeit existiert als Embryo und bereitet sich erst darauf vor, als Geschichte in Gang zu kommen.

Die Welt des Jnanis ist die Welt des ursprünglichen Weltenchaos, die Dimension der Uranfänge, die Welt der Urväter der Schöpfung. Das ist die wirkliche Ebene der Realität, das Sein wie es ist und nicht, wie es in Samsara erscheint.

Diese Welt gleicht einem Topf voller Quanten, in dem unzählige Wahrscheinlichkeiten und Möglichkeiten brodeln, die Samen von zukünftigen Varianten der Universen erscheinen und sich auflösen, noch nicht geborene Räume, Zeitsysteme und physikalische Gesetzmäßigkeiten.

In dieser Welt bestehen Hyper-Instabilität und Hyper-Stabilität gleichzeitig. In ihr hat sich noch nichts konkretisiert, bestimmt, geordnet, nichts ist eindeutig, eingefroren und begrenzt.

In dieser Welt gelten die Gesetze der Physik von Newton und Einstein nicht.

Es ist dies eine Welt der Quantenmechanik, eine Welt voller Freiheit und erschreckender Unbestimmtheit, in der alles möglich ist, wo jede Bewegung des Bewusstseins in jedem Moment manifestiert wird und eine neue Variante des Universums erschafft. Dort kann jeder unvorsichtige Gedanke eine gigantische Maschinerie der Schöpfung von Milliarden Universen in Gang setzen.

Das ist eine zauberhafte Welt, in der Wille und Ursache von allem erst geboren werden, es ist die Dimension der Essenz des schöpferischen Willens. Das ist der Ort, an dem die Ursachen aller Objekte dieser Welt liegen, Embryos aller Universen, Samen aller möglichen Ereignisse in allen Zeiten, Potenzial aller Erscheinungen und Energien.

Alle unendlichen Kräfte des Universums befinden sich hier in einem einheitlichen, zusammengezogenen Zustand. In dieser Welt geschieht nichts und geschieht doch alles gleichzeitig. Die Herrscher des Chaos, die Schöpfer des Ursprungs des Universums, die großen Vorväter der Welt, die Bewahrer von Welten entstehen hier erst. Es ist eine Welt höchster Heiligkeit, die selbst göttliche Wesen in Ehrfurcht versetzt.

Jnana, das große Wissen der Devas und Rishis, zu erhalten, bedeutet, in diese Welt hinein zu wechseln. Der Prozess der Erleuchtung ist ein allmählicher Übergang in die Dimension des Uranfangs. Wie ein Tropfen, der in einen Ozean fällt, gerät ein Jnani in diesen sprudelnden, alchemischen Topf der Ewigkeit, um sich dort aufzulösen und selbst zur Ewigkeit zu werden.

Lied

Der große Quantenübergang

(Upadesha für Schüler

mit großer Erkenntnisfähigkeit)


Direkte Übertragung


(1)

Erhältst du die direkte Übertragung,

so stark wie Flammen voller Licht,

die Inspiration von deinem Lehrer,

der selbst als Manifestation dir leuchtet,

dir universelle Quelle ist,

in Form von einem Menschen,

dann geh sofort in Resonanz,

zum Hyperraum des Ursprungs, telepathisch,

zur Grundlage des Seins.

Als Resonanzmodul dafür,

verwende seine Form,

die Vibrationen seiner Stimme,

und die seines Bewusstseins.


(2)

In dem Moment der Resonanz das Wunder:

Der Raum, die Zeit, sie fallen nun zusammen.

Kontinuum aus Raum und Zeit:

nur Spielfeld kreativer Energie

des Leuchtens aus dem Hyperraum,

des nondualen Ichs bewusst,

sonst frei von jeder Reflexion.


(3)

Im Augenblick direkter Wahrnehmung,

die Hülle der mentalen Muster schwindet,

sie kollabiert,

die schwarzen Löcher deines Mikrokosmos schwinden,

die Kleshas und Betrübungen.

Es reißen klebrige Myriaden Karma-Fäden sofort ab,

am linearen Band von Subjekt und Objekt.

Zerstört: die karmischen Strukturen,

mentaler Abdruck, bisher eingefroren,

jahrtausendalte Illusionen,

versteinert und dual,

Ideen, die längst eingefroren,

sie werden alle aufgelöst.

Gesetz der Logik: selbstbefreit,

die Macht konzeptioneller Denkstrukturen:

genauso und ganz spielerisch.

Vernichtet ist der Clan der Maras innen.

Die physikalischen Gesetze,

bisher universal,

verlieren ihre Macht,

und krümmen jetzt des Karmas Raum.


(4)

Die Zeit zeigt unzählbarе Effekte.

Vergangenheit: nicht mehr korrekt,

nun variiert sie uneindeutig.

Die Zukunft ist nun offen,

ermöglicht jede Richtung.

Nur Gegenwart ist relevant,

global, grandios und unfassbar.

Zu einem Augenblick zusammen,

drei Zeiten kollabieren,

sie werden eingesogen

vom Urgrund, Licht und Vakuum.


(5)

Bedingungslosigkeit vergeht

von Ursache und Wirkung.

Von ganz alleine lösen sich Verbindungen,

die feinen Fäden der kausalen Ketten,

Subtile Genstruktur des Körpers,

auch sie kann sich verändern,

und offenbart, wie vielschichtig

ganz plötzlich sind die Schicksalsläufe.

Verschwunden ist die Sicht auf´s Ich

als die Person, bedingt nur durch den Körper.

Beseitigung der Zweifel


(6)

Und immer wieder gehe dann,

in quantenhafte Resonanz,

zu deinem Lehrer innen,

dem Ur-Raum des Ur-Grundes;

der lebt und trägt die Matrix,

allgegenwärtig da,

ist Quelle dieser Übertragung,

durch undeterminierte Quanten,

der nondualen Anschauung;

jetzt kannst du ausradieren

die letzten Samen deiner Reflexion

und kognitive Dissonanz.


(7)

Nun fasse einen guten Ratschluss

und suche, ohne Bruch, flexibel, einvernehmlich,

die Relation zum Hyperraum des Grundes,

solange du als Form noch sichtbar bist,

damit du nicht für einen Augenblick

doch die Verbindung noch verlierst,

mit dieser Leere voller Licht.

Ständiges Fortschreiten


(8)

Dein Leben stützt sich jetzt nur noch

auf mühelose Achtsamkeit,

auf Wachsamkeit in Meditation.

Sind Reste der vitalen Absichten latent noch da,

wie Wellen in dem Spiegel deiner Reflexion

in deines Geistes Raum,

dann dränge sie nun permanent

ins klare Licht vom Grund der Quelle.

Fixieren, Greifen, auch nach der Glückseligkeit,

nach Klarheit und dem Nichts,

das meide.


(9)

Bedrohen dich Verdichtungen,

im Hologramm der Welt,

dann bleib stabil verbunden

zum Hyperraum, voll Licht und Leere.

Und meide Fallen des Verstands:

Konzepte, Sturm der Karmawinde.

Sei in dem ursprünglichen Sein,

vermeide Wertung und auch Mühe,

und lass dich los und alles, wie es ist.


(10)

Erschaffe die Verbindung,

sei einsgerichtet nur,

zum einzig einen Raum.

Eröffne dir als Fundament,

des höchsten Ichs Natur:

der hellste Blitz im Kosmos,

enormes Aufwallen der Quanten,

das Paradox der Zeit, Potenz ganz ohne Ende.

Der Raum zieht sich zusammen,

zum Bindu, idealer Punkt und weißer Zwerg.

Der Punkt zieht sich zusammen,

er reflektiert, er spiegelt selbst sich wider,

erschafft im Nu die neue Welt der reinen Sicht.


(11)

Von außen aus dem Kosmos,

die Metagalaxien,

sie integrieren sich sofort,

im Inneren des Raumes,

in der totalen Subjektivität.

Das scheinreale Ich,

der Rest noch seiner Form,

es spiegelt sich noch wider,

als Reflexion des Selbst in sich,

wird aber augenblicklich aufgelöst

im Licht der Leere, in dem Grund.

Das Licht des Sohns erkennt sich nun,

als untrennbar vom Licht der Mutter.


(12)

Die Leere voller Licht

des uranfänglichen Soseins,

als untrennbar erkannt

vom Ich-Bewusstsein,

sie lässt entstehen und gebiert:

Myriaden neuer Räume,

die Mandalas der reinen Sicht,

die Welten ohne Zahl,

aus Licht gewebt.


(13)

Sie alle sind das Feld des Spiels,

die Manifestationen

der Energie des einen Grunds.

Vollkommen rein in der Essenz

und frei von jeglicher Begrenzung

sie sind mein Regenbogenkörper,

unendlich und auch einheitlich.

Der Quantenübergang erfolgt!

Der Große Sprung ist vollbracht!

Die Zeit für den Jnani


„Die Vielfalt von Zeit, Raum, Materie, Energie und Erfahren existiert nur in der nicht-existierenden Unwissenheit.“

Yoga Vasishtha

Kap. 6.2.190, „Die Geschichte von Kundadanta“

Ein Jnani befindet sich dort, wo die Zeit ihren Gang noch nicht begonnen hat, denn sein Bewusstsein ist unbeweglich und befindet sich im Zustand des Nichthandelns.

Das Handeln existiert dort lediglich als nicht manifestierte Möglichkeit, als Vibration, als Potential einer Bewegung und nicht als objektive Tatsache. Dort hat sich die Vergangenheit noch nicht von der Zukunft getrennt und die Zukunft nicht von der Gegenwart. Die Zeit ist hier wie ein Same, der noch nicht zu sprießen begonnen hat.

Es ist eine Welt, in der Zeit und Raum wie in einem transzendentalen Punkt zusammengezogen sind. Ein Jnani ist eins mit diesem Punkt, deswegen weiß er, daß die Zeit dorthin fließen wird, wohin die Bewegung der Vibration in seinem reinen Bewusstsein (Kala-Spanda) zeigen wird.

Ein Jnani, der aus diesem Punkt heraus handelt, kann mit Hilfe seines Willens die Zeit beschleunigen, sie in eine andere Richtung fließen oder sie kreisen lassen, oder er kann durch die Kraft der Absicht Bereiche (Lokas) erreichen, in denen die Zeit anders fließt. In eine Sekunde kann der Jnani die Ereignisse vieler tausend Jahre durchleben. Und tausend Jahre können für ihn wie eine Sekunde vergehen.

Ein Jnani reist wie ein ewiger, unsterblicher Reisender durch die verworrenen, unendlichen Labyrinthe der Zeit, ohne Anhaftung, er versteht, dass die Zeit und die Welten, in denen er sich bewegt, Illusionen sind, wie ein Trick eines Magiers.

Die Vergangenheit eines Jnanis


„Wenn es niemanden gibt, der sich erinnert – wie könnte dann die Erinnerung existieren? Folglich erscheint diese Erinnerung, die im Bewusstsein auftaucht (ob aufgrund früherer Erfahrungen oder anderweitig) als die Welt.“

Yoga Vasishtha

Kap. 4.3, „Über die Existenz“>

Der Moment, in dem der Jnani das Wissen erhält, ist wie eine zweite Geburt, wie die Geburt eines vollkommen neuen Wesens in seinem Körper, die wenig mit der Person zu tun hat, welche die früheren Ereignisse erlebt hatte.

Deswegen hat ein Jnani keine Vergangenheit. Es gibt keine Geschichte, denn er steht nun an der Quelle, aus der die Geschichte entspringt, alle Ereignisse und Erscheinungen. Seine Vergangenheit kann sich in Abhängigkeit von seiner Absicht verändern.

Da die ganze Welt für einen Jnani irreal ist und einer Einbildung gleicht, so ist auch die Vergangenheit des Jnanis illusorisch und wird als Spiel eigener Gedanken gesehen. Dieses enthält viele Varianten und ist untrennbar von Gegenwart und Zukunft. Es ist einfach ein Strom an Samskaras, an gedanklichen Eindrücken, Erinnerungen und Abdrücken, die in den Archiven des Citta aufbewahrt werden.

Die Vergangenheit bedrückt einen Jnani nicht, denn er hat keine Samskaras mehr, zumindest keine Anhaftung an sie, und das bedeutet, dass es auch kein Zurückdenken an die Vergangenheit gibt, wie dies bei gewöhnlichen Menschen der Fall ist. Da er nicht durch das Gedächtnis gebunden ist, wird die Vergangenheit vom Jnani so gesehen, als wäre sie ein Witz, eine Illusion. Im Bewusstseinsstrom eines Jnanis exisitiert keine Historie.

Die Wichtigkeit aller Ereignisse der Vergangenheit verschwindet, sobald das Wissen des Absoluten erlangt ist, Jnana. Jnana nimmt der Vergangenheit die Grundlage, raubt den Glauben an ihre Wirklichkeit, denn die Vergangenheit ist auf der Unwissenheit aufgebaut, auf den illusorischen Ideen „ich bin der Körper“, „die Welt existiert“, „ich handle“, „das ist mein“, „das sind sie“ und so weiter.

Sobald die Illusionshaftigkeit von Subjekt und Objekt festgestellt ist, hat ein Jnani sein Gesicht, wie es vor seiner Geburt war, erkannt, die ganze Vergangenheit erscheint ihm als Spiel, als Theaterstück, das er für Realität gehalten hatte.

Obwohl ein Jnani seine Verbindung mit der Vergangenheit nicht fühlt, negiert er seine Vergangenheit nicht, also die Zeit, als sein Geist sich noch in Unwissenheit befand, er versteht nur, dass alles, was geschehen ist, nicht mit ihm geschah, sondern mit jemandem anderen, mit seiner Person. Denn eine reine Negierung wäre eine Form der Anerkennung als Realität.

Er kennt seine Vergangenheit nur als ein vollkommenes Spiel des Absoluten, denn in Wirklichkeit gab es ihn nie als die Person, welche die Ereignisse der Vergangenheit erlebte, und er weiß, dass alles Vergangene nur ein Lila, ein reines Spiel der Emanationen des Absoluten war.

Er kann sich seine Vergangenheit daher nach Belieben aussuchen.

Ein Mensch der gewöhnlichen Welt ist durch seine Vergangenheit fixiert und begrenzt, denn in seinem Bewusstsein werden Abdrücke aufbewahrt, denen er große Bedeutung beimisst und die daher einen starken Einfluss auf sein Leben besitzen.

Diese Samskaras enthalten Verbindungen mit verschiedenen Welten und Ereignissen, stehen in einer linearen zeitlichen Ursachenlogik und werden im Gedächtnis als Erinnerungen aufbewahrt. Während sie sich im Gedächtnis befinden, werden sie Teil der Person, des Egos. Als Faktor einer Persönlichkeit bestimmen sie Selbstidentifikation, Status und Selbsteinschätzung eines Menschen, seine Inhalte und Werte in der aktuellen Welt und beeinflussen seine Handlungen und sein Denken, formen seine Zukunft.

Auf einen Jnani wirkt dieser Prozess nicht, da seine Samskaras oder Identifikationen mit im Licht der meditativen Präsenz aufgelöst wurden und sein Gedächtnis keine Macht mehr über ihn hat. Ein Jnani ist Herr seines Gedächtnisses, er sucht selbst aus, an was er sich erinnert und an was nicht, was seine Vergangenheit ist und was nicht, weil er versteht, dass alle Erinnerungen und Ereignisse ein Spiel sind, Bewegungen auf dem Wasser des Ozeans des Bewusstseins, gleich Ereignissen im Schlaf, hinter denen kein reales Sein steht.

Die Zukunft eines Jnanis


„Das unendliche Bewusstsein wird sich seiner eigenen Macht bewusst, so wie jemand der Glieder seines Körpers bewusst wird. Dieses Gewahrsein wird Niyati (die Macht des Absoluten, die der Natur gebietet) genannt. Es wird auch als Daiva bzw. göttliche Fügung bezeichnet. Niyati hat dafür gesorgt, dass du mir diese Fragen stellst, und es ist ebenfalls Niyati, dass du entsprechend meiner Unterweisung tätig werden sollst. Wenn jemand sagt: „Das Göttliche wird mich ernähren“, und untätig bleibt, dann ist dies ebenfalls das Werk von Niyati. Dieses Niyati kann nicht einmal von Göttern wie Rudra übergangen werden. Weise Menschen jedoch sollten deswegen nie die Eigenbemühung aufgeben, weil Niyati nur als und durch die Eigenebemühung funktioniert. …

Wenn jemand untätig bleibt und sich darauf verlässt, dass Niyati alles für ihn erledigt, dann wird er bald feststellen, dass das Leben schwindet, denn Leben ist Aktivität. Er kann durch Eintritt in den höchsten überbewussten Zustand den Atem anhalten und die Befreiung erlangen – aber eben das ist in der Tat eine allergrößte Eigenbemühung.“

Yoga Vasishtha

Kap. 3.63, „Die Geschichte von Lila“

Ein Jnani lebt in einer Dimension, in der die Zeit noch nicht in ihre drei Zustände aufgeteilt ist, deswegen versteht er, dass alle Ereignisse im Absoluten gleichzeitig existieren, genau jetzt, ohne jede Trennung, in der Form subtiler, noch nicht zum Ausdruck gebrachten Potenzialen, Ursachen und Wahrscheinlichkeiten.

Diese Wahrscheinlichkeiten sind nicht konkretisiert, sondern gewissermaßen verwaschen, und sie widerspiegeln die allgemeinen Tendenzen der Seele (Jivatman), die sich hier ebenfalls in einem noch ungeborenen Zustand befinden.

Der Ajnani, der Mensch dieser Welt, lebt in der Dimension, die durch die Gesetze der Physik der materiellen Welt verwaltet wird, in der diese Geburt schon erfolgt ist, und in der die Realität aus ihrer wahrscheinlichen Formierung in eine Konkretheit übergegangen ist. Er befindet sich in Unwissenheit bezüglich der wirklichen Natur der Realität, des Bewusstseins, der Zeit und des Karmas, und er glaubt deswegen, dass Zukunft und Vergangenheit klar getrennt sind und das eine nie zum anderen werden kann.

Wenn das Bewusstsein sich auf irgendeine Wahrscheinlichkeit konzentriert, geschieht dies als eine Abfolge in der Beleuchtung der Ereignisse, und die Zeit geht in einen manifestierten Zustand über. Die Ereignisse werden in der Reihenfolge erlebt, in der sie das Bewusstsein beleuchtet. Ereignisse, die vom Bewusstsein schon beleuchtet – und in Folge bereits konkretisiert und materialisiert sind – und danach wieder verlassen wurden, gelten als Vergangenheit. Ereignisse, die gerade beleuchtet werden und sich in diesem Moment zum Ausdruck bringen, werden Gegenwart genannt, und solche, die noch nicht von der Kraft des Bewusstseins der subtilen Körper beleuchtet sind, gelten als Zukunft.

Der Fluss der Zeit ist eine einfache Abfolge der Beleuchtung verschiedener individueller und kollektiver mentaler Abdrücke durch das Bewusstsein.

Der Mensch der gewöhnlichen Welt erschafft seine Zukunft, indem er unbewusst Taten begeht, Gedanken produziert und neue Abdrücke im Bewusstseinsstrom generiert (Samskaras), die zur Ursache der Zukunft werden, um später als neue Tendenzen und Ereignisse zum Ausdruck zu kommen, als Folgen der Gegenwart. Nur ein Jnani modelliert seine relative Zukunft und versteht, dass sie so sein wird, wie er sie sich vorstellt.

Zukunft existiert für einen Jnani an sich nicht, weil sie sie prinzipiell illusorisch ist und aus dem erweckten subtilen Bewusstsein des Jnani hervorgeht, als ein Spiel seiner schöpferischen Vorstellung.

Im Wissen um die Einheit von Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart im Absoluten, erlaubt ein Jnani der Zukunft, ganz natürlich zu fließen, so wie sie ist, aber manchmal steuert er sie mit der Kraft der Absicht (Sat-Sankalpa), erschafft ein Modell der Realität, das er für die Manifestation seiner Spiele benötigt. Die Kraft der Absicht ruft eine andere Kraft an, die Energie des unendlichen Bewusstseins (Cit-Shakti).

Der Jnani schickt die Kraft aus dem Raum der Wahrscheinlichkeit in verschiedene Welten und schafft auf diese Art Reihenfolgen von Ereignissen, Ketten von Geschehnissen, die untereinander als Ursachen und Wirkungen verbunden erscheinen. Aber in der Wirklichkeit sind diese Ursachen und diese Wirkungen nicht linear miteinander verbunden, sie wurden durch den Bewusstseinsstrom des Jnanis gleichzeitig generiert.

Ein Jnani erbaut nicht eine Zukunft, sondern er geht zur Quantenebene der Wahrscheinlichkeiten und wählt dort seine Zukunft aus der unendlichen Zahl der bereits gleichzeitig existierenden variativen Szenarien aus.

So wird der Jnani zum Weber der Realität, zum talentierten Bühnenbildner und zum Regisseur der Zukunft.

Die Gegenwart eines Jnanis


„Im Traum ist ein Moment nicht verschieden von einer Epoche. Für Brahma ist die Lebensspanne eine Manus wie anderthalb Stunden, und Brahmas Lebensspanne ist ein Tag für Vishnu. Vishnus Lebensspanne wiederum ist ein Tag für Shiva. Aber für den Weisen, dessen Bewusstsein die Begrenzungen überwunden hat, gibt es weder Tag noch Nacht.“

Yoga Vasishtha

Kap. 3.59, „Die Geschichte von Lila“

Man sagt oft, dass ein Jnani total in die Gegenwart vertieft ist, dass er in der Fülle der Bewusstheit des Moments lebt, hier und jetzt. Das ist richtig. Die Gegenwart, das, was jetzt ist, das ist alles für den Jnani. Denn er hängt weder Gedanken über die Vergangenheit nach, noch über die Zukunft, sondern bleibt in der Bewusstheit des aktuellen Moments.

Dieser Augenblick hat keine Beziehung zu den drei Zeiten, denn ohne Vergangenheit oder Zukunft verliert auch der Begriff der Gegenwart an Sinn.

Eine Sekunde der Gegenwart kann wie tausend Jahre wirken und umgekehrt.

Der Verstand des Jnanis verweilt ohne Ablenkung dort, wo es keine Unterteilung der Zeit gibt, wo die Zeit in ihrer latenten, versteckten, noch nicht manifestierten Form ruht und untrennbar vom Bewusstsein ist.

Das stört ihn aber nicht dabei, zukünftige Ereignisse zu modellieren, Pläne zu machen, den Vektor seiner Absicht in eine Zukunft in der relativen Dimension zu richten. Das ist aber ein Spiel des Bewusstseins eines Jnanis, keine Beschränkung durch die Idee von Zeit in dieser Zukunft. Ein Jnani ist so frei, dass er uneingeschränkt in der Zukunft spielen und dafür Voraussagen und Pläne machen kann, gleich dem gewöhnlichen Menschen.

Der Raum für einen Jnani


„Nur das Selbst oder das unendliche Bewusstsein ist die Wirklichkeit von all diesem hier – von der Erde, den Bergen und so weiter. Das Selbst ist wie Raum, formlos und ohne Grundlage. Alles hier wurde überhaupt nicht erschaffen. …

Zeit, Raum und alles andere sind Erscheinungen des Bewusstseins. Auch die Berge sind nichts als Bewusstsein.“

Yoga Vasishtha

Kap. 6.2.204, „Die Geschichte von Kundadanta“

Das Universum des Jnanis gleicht einem Hologramm. Alles ist gleichzeitig in jedem Punkt dieses Universums präsent.

Ein Jnani versteht, dass alle Dimensionen, Maße, Gesetzmäßigkeiten, Räume, Geographie und Geometrie dieser Welt den Charakter einer Illusion haben und einfach nur deswegen existieren, weil der Verstand diese Variante als Realität ausgesucht hat. Der Verstand des Jnanis befindet sich in genau dem transzendentalen Punkt, in dem der Raum wie eine Haut zusammengerollt ist, die das Potenzial des Unmanifestierten wie einen Embryo einhüllt.

In diesem Punkt gibt es keinen Unterschied zwischen lang und kurz, groß und klein, rund und eckig, scharf und fließend, weit und nah, innen und außen. Ein Jnani sieht alle Maße, Koordinaten, Distanzen und Gesetze der Geometrie als Absicht des schöpferischen Bewusstseins, das sie erschaffen hat, das aus diesem Punkt als schöpferischer Wille (Ichha-Shakti) erschienen ist.

Aus diesem Punkt heraus handelnd, kann ein Jnani ein Universum innerhalb eines kleinen Steins unterbringen, ein großes Land oder einen Palast in einem Atom verstauen, oder einen riesigen Ozean, genauso Berge und Wälder in einen seiner Finger.

Dem Raum nicht unterliegend, kann der Jnani unbegrenzt durch die Dimensionen dieses Universums reisen, mal in einer Welt, dann in einer anderen erscheinen, ohne dabei durch jemanden erkannt zu werden.

Zahllose kosmische Räume, Universen und Welten entstehen und existieren aus dem Ursachenozean der Nondualiät heraus, wie Blasen auf dem Wasser, spontan und ohne Kausalität, und stellen völlig illusionäre, spielerische Manifestationen des Absoluten dar.

Zur Realisation der Einheit von Bewusstsein und Raumes folgt ein Jnani dem geheimen Weg der Shambhavi-Mudra. Sie wird von Heiligen und Siddhas besungen. Auf diesem Weg lernt er, den Raum zu betrachten und sein Bewusstsein mit ihm zu vermischen.

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